SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

03OKT2023
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Tag der Deutschen Einheit – Das heißt für viele heute: Feiertag. Einheit was für ein großes Wort. Und auch ein schönes Wort. Es signalisiert: „Wir halten zusammen“. „Wir sind gemeinsam auf dem Weg“. Und vielleicht: „Wir sind uns einig“.

Allerdings finde ich, dass das, vor allem in den letzten Wochen und Monaten – vielleicht sogar Jahren – so gar nicht der Fall war. Dabei meine ich weniger die Diskussionen über Ost und West. Sondern ich erlebe beinahe täglich, dass das nicht so ist:

Wer darf denn alles nach Deutschland kommen und wer nicht? Kaum ein Thema in der Politik, um das nicht gestritten wird. Der Klimaschutz erhitzt die Gemüter. Wir haben einen Krieg auf unserem Kontinent. Und Nachbarn streiten sich um das Laub von Bäumen.

Mir ist klar, dass das auch die ganz großen Themen unserer Zeit sind. Und, dass es schwierig oder unvorstellbar wäre, dass wir zu jedem Thema eine einheitliche Meinung haben.

Jesus war immer mit ganz unterschiedlichen Leuten unterwegs. Mit seinen Freundinnen und Freunden und ganz fremden Leute. Kurz vor seinem Tod, hat er sich von seinen engsten Freunden verabschiedet und zu ihnen gesagt: Ich gebe euch ein neues Gebot: Liebt einander! Genauso wie ich euch geliebt habe, sollt ihr einander lieb haben. 

Ich bin mir eigentlich ziemlich sicher, dass sich auch in dieser kleinen Gruppe nicht immer alle einig waren. Auch da gab es Diskussionen, welchen Weg man nehmen soll. Wie man am besten die Leute erreichen kann. Und überhaupt, wie das alles werden wird. Mit diesem Jesus …

Es fanden sich auch sicher nicht alle gleich sympathisch. Ich glaube nicht, dass das Jesus so gemeint hat, dass sich alle nur in die Arme fallen sollen.

Ich glaube eher, dass es ihm um eine gewisse Grundhaltung gegangen ist. Dass man sich miteinander leidenschaftlich streiten kann – aber wohl immer weiß, dass das Gegenüber kein schlechter Mensch ist. Vielleicht eine gewisse Einigkeit darüber, dass wir uns gegenseitig als Menschen wahrnehmen und auch schätzen. Und mit dieser Grundhaltung auch diskutieren und unsere Konflikte austragen.

Ich glaube, das ist es, was ich mir im Moment in unserer Gesellschaft am meisten wünsche. Diese Wertschätzung von anderen – trotz aller Unterschiede.

Ich finde, dass so etwas von der Einheit spürbar werden könnte. Und das nicht nur am Tag der Deutschen Einheit.

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