SWR2 Wort zum Tag

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28SEP2023
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Nikolaus von der Flüe, als Schweizer Nationalpatron auch heute sehr verehrt, war ein verrückter Kerl, ein hundertprozentiger: Erst Bauer, Ehemann und Familienvater mit zehn Kindern und in der politischen Gemeinde hoch aktiv. Dann in einer Art Lebensmitte-Krise Aufbruch zu einer mystischen Gruppe der Gottesfreunde im Elsass, wohl mit ausdrücklichen Zustimmung seiner Frau, mit der er stets in Kontakt blieb. An der Grenze um Basel herum kommt ihm die Gewissheit, umzukehren. Ganz in der Nähe seines Bauernhofes lebt er dann als Einsiedler, noch heute ist seine Ranft in Flüeli bei Luzern ein unglaublich intensiver heiliger Ort.

Der alt und älter werdende Nikolaus war damals extrem viel um Rat gefragt, Könige und Gläubige suchten ihn auf, angesichts der Gefahr eines Bürgerkrieges wird er zum Schlichter. Als er 70jährig starb, war er längst eine Legende – und ein spiritueller Brennpunkt. Geschrieben hat er fast nichts, aber gelebt und gewirkt umso mehr.

Warum komme ich heute Morgen auf diesen sympathischen Gottes-Extremisten? Ihm wird aus guten Gründen ein Gebet zugeschrieben, das sich wie ein Mantra den ganzen Tag über beten lässt, einfach so zwischen drin und schließlich als tägliche Begleitmusik immer. Drei Verse sind es, mit denen sich der hingerissene Mann an Gott wendet.

Zuerst: „nimm alles von mir, was mich hindert zu dir“. Eine sehr verständliche Bitte, finde ich, wenn ich an Freunde und geliebte Menschen denke. Überhaupt Beziehung: sie lebt ja davon, zueinander zu kommen. Alles, was da hinderlich ist, möge verschwinden und soll beseitigt werden. Beten ist Beziehung.

Entsprechend der zweite Herzenswunsch des radikalen Nikolaus von der Flüe: „gib alles mir, was mich fördert zu dir“. Wer so betet, hat nur sein geliebtes Gegenüber im Blick. Ganz wie Jesus! „Mein Herr und mein Gott“, sagt Nikolaus ganz intim.

Deshalb als Resümee die dritte Bitte: „nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir“. Das ist Liebessprache pur: den oder die Andere ganz im Blick, sich verlassen auf sie oder ihn, und das ganz. So auf Gott bezogen wird der Mensch frei, und der ist Tag gesegnet.  Ja, Gott, „gib alles, was mich fördert zu dir“!

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