Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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19AUG2023
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Samstagmorgens und ich hab’s eilig. Noch schnell einkaufen: Parken, Einkaufswagen schnappen und los geht’s. Mein Blick fällt auf die Lenkstange meines Einkaufwagens. Da klebt ein kleiner, weißer Aufkleber; auf dem steht „Jesus“. In Druckbuchstaben. Handgeschrieben und etwas schräg aufgebracht.

Ich halte inne. Wieso steht ausgerechnet auf meinem Einkaufswagen „Jesus“? Ich gehe noch einmal die paar Schritte zurück und lasse meinen Blick über die anderen Einkaufswagen schweifen. Nirgends sonst klebt so ein kleines, weißes Zettelchen, nur auf meinem. Merkwürdig... Wieder schaue ich auf den Aufkleber. Wer hat ihn wohl da hingeklebt? Und wozu? Ich gehe langsam weiter...

Kürzlich hat mich jemand gefragt: „Was tun Sie eigentlich, damit Sie Gott näherkommen?“ „Nichts“, habe ich gesagt. „Rein gar nichts.“
Und als ich das enttäuschte Gesicht gesehen habe, habe ich hinzugefügt: „Gott ist da. Ich muss mir seine Nähe nicht erarbeiten und ich kann ihn auch nicht loswerden. - Nicht einmal durch meine Fehler, durch mein Versagen, oder mein Desinteresse... Das steht einfach nicht in meiner Macht.“

Dieser Aufkleber soll mich vielleicht daran erinnern: Gott ist da. Denn manchmal bin ich so mit mir selbst beschäftigt, dass ich das vergesse. Und da Gott nun mal kein besseres Arbeitsmaterial hat, als uns Menschen, greift er auch schon mal auf einen von uns zurück; und lässt jemanden auf einen kleinen Zettel „Jesus“ schreiben; und auf einen Einkaufswagen kleben...

Klar, ich habe eine Wahl: Ich kann hinsehen oder nicht. Innehalten oder nicht. Ich kann die Zeichen wahrnehmen. Oder auch nicht. Manchmal verbergen sie sich auch nur ganz diskret in einer aufgehenden Blüte - und teilen uns etwas vom Zauber des Lebens mit. Manchmal liegen sie als kleine, tote Hummel am Straßenrand und erinnern an die Vergänglichkeit.

Und manchmal geschieht plötzlich etwas völlig Unerwartetes.  So verhält es sich mit der Nähe Gottes. Nach meiner Erfahrung.

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