SWR2 Wort zum Tag
Manche werden ihn kennen, den Bamberger Reiter, die naturgroße Skulptur am Nordpfeiler im Georgenchor des Bamberger Domes. Ursprünglich wunderbar farbig gestaltet, reitet er seit Jahrhunderten schon durch das Fürstenportal auf das Grab seines Schwagers zu: Kaiser Heinrich II., der mit seiner Kunigunde im Mittelschiff begraben liegt. Warum erinnere ich an dieses Kunstwerk, diese klassische Reitergestalt? Viel spricht dafür, dass es sich da um den heiligen König Stephan von Ungarn handelt, und der steht heute im Festkalender der katholischen Kirche. Er gehört in die Reihe guter, ja idealer und natürlich idealisierter Herrschergestalten, und noch heute wird er als Patron Ungarns hochgeschätzt. Mit dem heiligen Stephan, Landesapostel und Schutzpatron der Ungarn, wird ihre Christwerdung verbunden, man kann also auch sagen, der Aufbau Europas.
Machthaber stehen meist nicht in gutem Ruf, und in der Tat ist die Gefahr groß, Macht zu missbrauchen oder totalitär zu handhaben. Das ist leider auch in den Kirchen und ihren Geschichten festzustellen, in der Gesellschaft sonst und in Staaten, auch im heutigen Ungarn und seiner Politik in Europa. Aber deshalb Machtgebrauch zu verteufeln, wäre schlimm. Sie kann weiß Gott zum Guten genutzt werden, und das geschieht ja auch vielfältig. Manch ein Politiker macht sich verdient fürs Gemeinwohl, und ein wenig Einfluss und Verantwortung hat jeder und jede. Machen wir uns nicht kleiner als wir sind!
Für den heiligen Stephan und seine Frau Gisela jedenfalls war Gottes Gebot leitend, im Prinzip jedenfalls. Just im Jahr 1000 wurde er zum ersten König Ungarns gekrönt, und die Stephanskrone von damals gehört bis heute zum ungarischen Staatsschatz. Ganze 38 Jahre regierte er dann. „An Gottes Segen ist alles gelegen“: im gesalbten König soll politisch Gestalt werden, was für jeden Menschen gilt: Stellvertreter Gottes auf Erden zu sein und Sachwalter seiner guten Schöpfungsvorhaben.
Nichts ist heutzutage gebotener, als kreativ mit Macht umzugehen. Nicht verteufeln, nicht missbrauchen, sondern Einfluss nehmen und von der eigenen Macht guten Gebrauch machen.
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