SWR2 Wort zum Tag

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14AUG2023
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Keinen Tag fangen wir bei Null an, auch heute nicht. Immer schon finden wir uns in Beziehungen vor, im Netzwerk von Geben und Nehmen. In meiner Kirche gibt es das tägliche Heiligen-Gedenken. Nie sind wir allein, immer stehen schon bewährte Leute bereit, sozusagen auf Abruf und zur Begleitung für den Tag, heute ist es Maximilian Kolbe, ein polnischer Franziskaner.  Er war ein scharfer Nazi-Gegner und wurde, nicht einmal 50 Jahre alt, in Auschwitz brutal ermordet. Schon das wäre des Gedenkens wert, aber noch bewegender ist etwas anderes. Der polnische Priester sprang nämlich freiwillig für jemand anderen ein und opferte ihm sein eigenes Leben.

Wieder einmal hatte es dort im KZ Fluchtversuche gegeben. Zur Abschreckung wählte der Lagerkommandant zehn Männer zur Hinrichtung aus, wahllos und vor versammelter Mannschaft. Ein junger Familienvater, Franz Gajowaczek, schrie verzweifelt auf, im Gedanken an Frau und Kind. Da trat völlig überraschend Maximilian Kolbe vor und bot sich zum Tausch an. Er ohne Frau und Kind und schon etwas älter, wollte dem Jüngeren das Leben retten. Tagelang war dann aus dem verfluchten Hungerbunker das Beten und Singen zu hören, bis man Pater Maximilian nach 14 Tagen Verhungern schließlich die tödliche Phenolspritze gab. Er „starb in einer Zeit des Hasses und brutaler Rücksichtslosigkeit. Der Mensch wurde erniedrigt zum Roboter, er galt noch weniger als ein Sklave“, sagte Karol Woytila bei der Seligsprechung 1971. Wenn ich an meinen Besuch dort in Auschwitz und auch im Hungerbunker denke, kommt mir auch nach 40 Jahren noch eine Gänsehaut. Und das auch beim Gedanken an die Heiligsprechung Kolbes in Rom. Da saßen Franz Gajowaczek und seine Frau total ergriffen in der ersten Reihe. Er noch am Leben dank Maximilian, und der schon lange tot – oder gerade eben nicht.

Ja, der eine lebt vom anderen, allein kann keiner sein. Bei diesem Maximilian Kolbe bekommt man eine Ahnung, wer Jesus war und aus welchen Quellen er lebte. Denn das Johannes-Evangelium hat schon Recht: „Eine größere Liebe hat niemand, als wer sein Leben hingibt für seine Freunde“. Dieses Jesus-Geheimnis hat Pater Maximilian ein Leben lang umgetrieben. Endlich Schluss mit dem Feinddenken und all dem Hass, und immer die Frage: Wo kann ich einspringen? Und: Was verdanke ich denen, die für mich schon eingesprungen sind?

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