SWR2 Wort zum Tag

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08AUG2023
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In der Schule haben wir uns mit dem Auswendiglernen dieser Ballade ganz schön gequält: „Hat der alte Hexenmeister sich doch einmal wegbegeben! Und nun sollen seine Geister auch nach meinem Willen leben …“

So beginnt die Ballade vom Zauberlehrling von Johann Wolfgang von Goethe. Was aber da drin steckt, wieviel kluge Vorraussicht, das habe ich erst später begriffen.

Da probiert ein Zauberlehrling, als sein Meister gerade mal weg ist, einen Zauberspruch aus. Er schafft es tatsächlich, einen schlichten Besen in einen Knecht zu verwandeln. Der ist ihm zu Diensten und schleppt ununterbrochen Wasser heran.

Dann aber gerät die Sache außer Kontrolle. Und nimmt  einen bösen Ausgang. Denn der Lehrling ist nicht in der Lage, die ausgelöste Kettenreaktion wieder anzuhalten. Weil er das Wort vergessen hat, mit dem er die sich anbahnende Katastrophe stoppen könnte.

„Herr, die Not ist groß“, ruft er schließlich verzweifelt, „die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los.“

Heute lese ich diese Ballade wie einen hilfreichen Kommentar zum Umgang mit dem Thema künstliche Intelligenz, das ja gerade so kontrovers diskutiert wird. Und meine, künstliche Intelligenz kann solange nützlich sein, wie sie vom menschlichen Geist kontrolliert wird. Um beispielweise von lästigen Alltags- und Routinearbeiten zu entlasten.

Sie kann aber in eine Katastrophe führen, wenn sie außer Kontrolle gerät. Oder sogar bewusst mißbraucht wird.

Schließlich gehört zu jedem Projekt, das man plant, nicht nur der Beweis, dass man es technisch ausführen kann. Sondern vor allem auch die Haltung, dass man es verantworten kann. Weil sonst die Gefahr besteht, sich in einen Machtrausch zu verlieren, bei dem die Folgen unabsehbar sind.

 „Herr, die Not ist groß!“, ruft der Zauberlehrling angesichts der Kräfte, die er entfesselt hat. Ich finde, man kann diesen Hilferuf auch als ein Gebet verstehen.

Als Ruf, der sich nicht an einen alten Hexenmeister richtet, sondern an den „Herrn der Geister“, wie die Bibel sagt. An Gott selbst, den Schöpfer und Bewahrer der Welt.

Ein Gebet auch, um einen Weg zu finden für einen besseren, verantwortlicheren Umgang mit der neuen Technik. Damit auch in Zukunft künstliche Intelligenz vor allem menschliche Intelligenz bleibt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38194
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