SWR2 Wort zum Tag

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18AUG2023
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„Willkommen in unserer Welt“ sagten mir viele afrikanische Freundinnen und Freunde, als im Februar letzten Jahres der Krieg Russlands gegen die Ukraine begann und wir in Deutschland unter tiefem Schock standen. „Diese Art von Konflikten gehören zu unserem traurigen Alltag und das gilt für viele Teile des globalen Südens. Jetzt wo so ein Konflikt nahe an Euch heranrückt wird es Euch auf einmal heiß unter dem Hintern und ihr spürt, was es heißt, Angst zu haben und betroffen zu sein.“ Und dann tauchten unerwartet Anfang Juli die Meldungen von einem umstrittenen Festival in Hessen auf – und tauchten schnell auch wieder ab. Plötzlich war für eine kurze Zeit ein Konflikt auf unseren Straßen, der vom eigentlich weit entfernten Horn von Afrika herrührt.

Dort, wo neben Äthiopien mit seinen über 110 Millionen Einwohner der Staat Eritrea liegt – eine der krassesten Diktaturen der Welt. Auch In Deutschland leben Anhänger des Diktators Isayas Afewerki und aus deren Reihen wurde das besagte Festival in Gießen organisiert – eine ungeheure Provokation für die vielen Menschen, die in den letzten Jahren aus dem Land geflohen sind, weil Meinungs- und Pressefreiheit stark eingeschränkt sind und es keine unabhängigen Gerichte und keine Zivilgesellschaft mehr gibt. Die meist jungen, männlichen Flüchtlinge fliehen vor einem brutalen Wehrdienst- und Zwangsarbeitssystem ohne zeitlichen Rahmen. Die Polizei in Hessen musste diesmal ausbaden, was es heißt, wenn solche Konflikte plötzlich bei uns ankommen, die scheinbar in eine ferne Region gehören.

Ich habe in meinem Alltag viel mit Menschen aus der Region zu tun, vor allem mit Studierenden aus der nord-äthiopischen Region Tigray, deren Familien viele Opfer zu beklagen haben, weil eritreische Truppen in ihr Gebiet einmarschiert sind und unsägliche Menschenrechtsverletzungen und Gräueltaten begangen haben. Beim erwähnten Festival in Gießen ist Presseberichten zufolge ein Lied gesungen worden, das zum Mord an den Bewohnern von Tigray aufrief. Ich war vor zwei Wochen in der Grenzregion von Tigray nach Eritrea und bis heute werden große Landstriche von eritreischen Truppen besetzt. Die Menschen dort sind täglicher Unterdrückung ausgesetzt und die Versorgungswege abgeschnitten. Es fehlt massiv an internationalem Druck, dieses Thema aufzugreifen. Solidarität von Seiten der Öffentlichkeit in Deutschland und der EU würde für die Menschen dort einen großen Unterschied machen – nicht erst und nicht nur dann, wenn wir die Hitze eines Krieges direkt spüren.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38187
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