SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

28JUL2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Vor kurzem war ich mit dem Fahrrad unterwegs - über eine kleine Anhöhe in ein Dorf. Dort steht ein Kreuz mit dem gekreuzigten Jesus.
Unten ist eine Tafel angebracht mit der Inschrift: „Rette deine Seele!“

Ich bin da schon xmal vorbeigekommen und habe gemeint, da stünde: „Rette meine Seele!“ - also ein Hilferuf an Jesus: Steh mir bei, sei mein Lebensretter in allen Nöten! Aber nein: Es ist anders. Da steht eine Aufforderung an mich: „Rette deine Seele!“

Das irritiert mich. Kann ich das denn überhaupt: Meine Seele retten?
Und was soll das heißen? Ist das etwa eine christliche Variante von: Tu was für Dich! Achte auf Dich! Lass es dir auch mal gut gehen! Aus dem Mund des Gekreuzigten hört sich so ein Appell jedenfalls seltsam an.

Zu Hause habe ich „Rette deine Seele!“ gegoogelt und dabei entdeckt, wie häufig diese Inschrift an Kreuzen ist. Und dann bin ich auf die Stelle in der Bibel gestoßen, wo das Wort herkommt. Es kommt in Wirklichkeit aus dem Mund eines Engels.

Der hat Lot und seine Familie im letzten Moment aus der Stadt Sodom herausgeführt. Sodom und Gomorrha sind in der Bibel Orte des Grauens, an denen Verbrechen gegen Frauen und Fremde an der Tagesordnung sind. Deshalb sind beide Städte dem Untergang geweiht.

Und in dem Augenblick, in dem Lot alldem mit knapper Not entkommen ist, da ruft der Engel ihm zu: „Rette deine Seele!“ – d.h. nach biblischer Vorstellung: Rette dein Leben! Zögere nicht, schau nicht zurück! Fliehe, damit du nicht umkommst! (1.Mose 19,17)

Ich lebe nicht in einer Stadt wie Sodom oder Gomorrha. Hier und heute verstehe ich diesen Appell so: Wo das Leben um dich herum vergiftet ist –wo Boshaftigkeit und Mobbing, wo Neid und Habgier vorherrschen, wo es keine Hoffnung für eine positive Wende mehr gibt: Da fliehe! Da steige aus! Da rette dein Leben und das deiner Lieben!

Ich bin eigentlich eher ein Typ fürs Durchhalten und Durchstehen. Die Geschichte von Lots Engel zeigt mir aber: Es kann auch anderes geboten sein.
Es kommt manchmal auch darauf an, rechtzeitig zu erkennen:

Du lebst in „toxischen Verhältnissen“, wie man das heute wohl nennen würde, in Beziehungen, die Gift für dich sind. Das kann in der Familie, in Partnerschaften, im Beruf, in Parteien und Vereinen vorkommen. Da gilt dann: Ehe das Gift dich verzehrt, „Rette dein Leben!“

Standhalten und Widerstehen ist eine Möglichkeit. Flüchten eine andere! Auch die kann angemessen – ja geboten sein. Als Wort unter dem Kreuz heißt das dann wohl auch. Du musst dich nicht zum Märtyrer machen: „Rette dein Leben!“ – wann und wo immer es irgendwie noch geht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38102
weiterlesen...