Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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27JUL2023
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Wie hab ich’s geliebt, mein türkisfarbenes Sommerkleid. Weshalb ich es einfach nicht übers Herz gebracht habe, es in den Alt-Kleidersack zu stopfen. Das Kleid im Internet zu verkaufen war mir zu umständlich. Und so lag es zusammen mit vielen anderen zu klein gewordenen Lieblingsstücken zwei Jahre in einer Kiste. Bis jetzt.

Da hat nebenan in Nürtingen ein besonderer Laden aufgemacht. Eine Secondhand-Boutique. Sie nennt sich „Secontique“. Dahinter steckt ein tolles Konzept, wie ich finde. Das merkt man gleich, wenn man in den Laden kommt. Der ist schick eingerichtet, die Kleider sind farblich sortiert und schön aufgehängt. Man findet nur gute Stücke, keine billige Ramschware.

In der Secontique geht es um mehr als nur darum, dass ein Kleidungsstück den Besitzer wechselt. Hier geht es um Wertschätzung. Für die Rohstoffe und Materialien, aus denen Kleider gemacht sind. Für die Arbeit, die in jedem einzelnen Teil steckt.

Diese Secondhand-Boutique ist die fünfte ihrer Art in meiner Nähe. Hinter dem Konzept steckt die „Aktion Hoffnung“[1]. Das ist ein Verband, der zur katholischen Kirche gehört. Der kümmert sich seit vielen Jahrzehnten darum, dass gebrauchte Kleidung verwertet oder weiterverwendet wird. Wenn am Ende ein Gewinn übrigbleibt, dann werden soziale Projekte oder Bildungsinitiativen unterstützt. Sowohl hier bei uns wie auch in Eine-Welt-Ländern.

Für mich ist die Secontique ein Beispiel, das zeigt, wie man Fast Fashion etwas entgegensetzen kann. Also jenem Trend, bei dem Kleidung, schnell, billig, mit minderwertigen Materialien und in großer Menge produziert wird. Denn das hat katastrophale Folgen. Diese Kleider sind Wegwerf-Produkte. Sie sind so schlecht, dass man sie nicht einmal mehr verwerten kann, und deshalb landen sie auf dem Müll. Es entstehen richtige Müllberge; nicht bei uns, in Afrika und Asien. Ich schäme mich bei der Vorstellung, dass Näherinnen ausgebeutet werden, damit unser Kleider-Konsum-Wahn befriedigt wird. Denn auch wir in Deutschland tragen zu der Situation bei: Etwa 60 neue Kleidungsstücke pro Jahr kauft jede und jeder von uns. Das ist ein Wahnsinn! Ich kaufe mir auch gerne ab und zu etwas Neues. Aber ich überlege mir das mittlerweile gut. Und ich bezahle lieber ein wenig mehr dafür und schaue, wo ich Hersteller finde, die unter fairen Bedingungen produzieren lassen.

Mein Sommerkleid in dem schönen Türkis hängt jetzt in der Secontique. Meine Altkleider-Kiste habe ich gerne dort abgegeben. Hoffentlich passt das Kleid bald jemandem. Und vielleicht freut sich diejenige genauso darüber wie ich, wenn das Kleid noch einen zweiten Sommer erlebt.

 

[1]www.aktion-hoffnung.org

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38099
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