Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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25JUL2023
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In Deutschland gibt es jetzt ein neues Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Grundsätzlich finde ich das gut. Weil die Politik auf eine Situation reagiert, die ja schon lange so ist. Seit Jahrzehnten kommen Menschen zu uns und bis sie arbeiten können, dauert es oft sehr lange und ist furchtbar kompliziert. Wir brauchen Leute aus anderen Ländern, viele Leute. Vor allem solche, die etwas können. Fachkräfte also. Experten sagen, damit unsere Wirtschaft funktioniert, müssen jedes Jahr 400.000 Einwanderer nach Deutschland kommen. Deshalb ist es gut und richtig, wenn manches mit dem Einwanderungsgesetz jetzt einfacher wird.

Gleichzeitig habe ich gestutzt. Rund um die Debatte zu diesem neuen Gesetz haben mich Sätze aus dem Bundestag aufhorchen lassen. Es ging dabei um junge Leute. Sie sollen „bald hier in Deutschland dabei unterstützen, unseren Wohlstand zu sichern.“ Die Regierung will mithilfe einer sogenannten Chancenkarte „die besten Kräfte nach Deutschland holen.“[1]

Ich frage mich: Wer sind wir, dass wir glauben, wir dürften uns die Besten einfach holen und sie einspannen für unseren Wohlstand? Haben wir mehr Rechte? Sind wir mehr wert? Da steckt ein Bild vom Menschen dahinter, das mir nicht gefällt. 

Es ist richtig, ohne Migration steht unser Wohlstand auf dem Spiel. Allerdings vergessen wir dabei etwas: Wir sind doch diejenigen, die etwas wollen! Deshalb gefällt mir gut, was die Berliner Migrationsforscherin Naika Foroutan über Menschen sagt, die bereit sind, ihre Heimat zu verlassen. Sie bezeichnet sie als: „Migrantisches Gold“[2]. Und das ändert die Blickrichtung. Uns muss klar sein: Wir konkurrieren mit vielen Ländern auf der ganzen Welt um Fachkräfte, um diese Gold-Migranten. Wenn sie zu uns kommen sollen, dann müssen wir als Gesellschaft etwas anbieten: Ehrlich interessiert sein auch an den Menschen, die nicht so ticken wie wir, neugierig sein auf andere Kulturen und nicht in eine Art rassistische Panikmache verfallen. Es geht um eine Willkommenskultur!

Dabei ist vollkommen klar: Es braucht Regeln, wenn unterschiedliche Kulturen gut zusammenleben wollen, das soll überhaupt nicht zur Debatte stehen.

Am Ende jedenfalls muss die Vision heißen: Migranten kommen gerne zu uns, weil es hier im Grunde gut ist. Es ist ein Geben und Nehmen, wir kümmern uns, um gleiche Chancen und darum, dass Menschen sich integrieren können. Wir arbeiten gemeinsam für diese Gesellschaft. Und: Migranten verdienen hier gutes Geld - aber eben nicht als unsere Wohlstands-Sklaven, sondern als Menschen, die unsere Wertschätzung verdienen.

 

[1]https://www.bundesregierung.de/breg-de/service/bulletin/rede-der-bundesministerin-des-innern-und-fuer-heimat-nancy-faeser--2198540

[2]https://taz.de/Einwanderung-und-Arbeitskraeftemangel/!5899383/

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38097
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