Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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25JUL2023
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In diesen Wochen habe ich bei uns im Speyerer Dom zwei Trauungen gefeiert. Beide Brautpaare haben sich die selbe Bibellesung herausgesucht: 1 Kor 13, das Hohelied der Liebe. Diese schönen Worte kennen Sie vielleicht auch:

„Die Liebe ist langmütig; die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. Sie handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, lässt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach. Sie freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit. Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand. Die Liebe hört niemals auf.“ (1 Kor 13, 4-8)

Wenn diese Bibelverse bei der Trauung vorgelesen werden, dann sitzen die Brautleute oft mit leuchtenden Augen da. Die spiegeln ihre Erwartung wider: „Ja, so soll unsere Liebe sein. So soll meine Partnerin, mein Partner mir gegenüber sein, und ich möchte mein Bestes geben, damit unsere Liebe so schön wird.“ Die Bibelstelle wird als Ideal verstanden, als etwas, wofür man sich anstrengt. Das kann aber Druck machen, einem selbst und auch dem anderen. Das Gute ist: So ist die Bibelstelle gar nicht gemeint.

Der Apostel Paulus schreibt diese wunderbaren Sätze in einem Kapitel über die Charismen, über die Gaben, die Gott den Menschen schenkt. Für Paulus ist die Liebe, die er hier beschreibt, in allererster Linie etwas, was Gott von sich aus den Menschen schenkt. Als eine Gabe. Weil Gott die Quelle der Liebe ist.

Es gibt eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Menschen einander wirklich liebevoll begegnen können und dass auch die Liebe von Eheleuten reift. Sie müssen entdeckt und erfahren haben: „Ich bekomme Liebe geschenkt. Auf vielfache Weise. Von der Partnerin, von Freunden, von Mitmenschen, von Gott.“ Wir leben von der Liebe, die wir geschenkt bekommen. Wenn ich das wach und bewusst wahrnehme, dann ist meine Liebe zu den anderen keine Anstrengung oder moralische Pflicht. Meine Liebe zu den anderen ist dann meine selbstverständliche Antwort auf die Liebe, die ich empfangen habe. Und deshalb ist sie auch gar nicht anstrengend. Auf diese Weise kann ein Mensch oder ein Paar in der Liebe wachsen - bis zu der reifen Form, die im Hohelied der Liebe besungen wird.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38082
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