SWR4 Abendgedanken

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14JUL2023
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„Mit siebzehn hat man noch Träume“, das ist ein Schlagertext aus meiner Jugend. Jetzt, wo ich auf den Ruhestand zugehe, fragen mich Menschen oft, was ich mir vornehme, wenn ich demnächst nicht mehr beruflich eingespannt bin. Manche schauen dann ziemlich besorgt aus und haben Bedenken, ob ich mit dem Zustand als Rentnerin vielleicht nicht klarkomme.

Und ich denke schmunzelnd daran, dass es in der Bibel eher heißt: „Mit siebzig hat man noch Träume.“

Genaugenommen steht da gar keine Jahreszahl. Der Prophet Joel beschreibt (Joel 3), wie sich der Geist Gottes auswirkt: Alte und Junge und die ganze Schöpfung sind davon bewegt. Die Alten – und eben nicht nur die Jungen, – haben Träume, Visionen, Zukunftshoffnung, Ideen.

Mit gefällt die Beschreibung, dass es mit Gottes Geist gerade die Alten sind, die Träume haben, denn manchmal habe ich das Gefühl, dass man heutzutage gerade das der älteren Generation abspricht. Gebrechlichkeit, Unbeweglichkeit, Skepsis gegenüber Veränderung, das sind die Themen, die viele vor allem mit dem Thema Älterwerden verbinden. Ja, das kann man so machen. Aber es ist doch nur die halbe Wahrheit. Und ist es nicht die Generation der Älteren, die mitreden sollte, wenn es darum geht, neues zu konstruieren, zu entwickeln und zu entdecken? Und das alte hinter sich zu lassen?

„Hab ich gehabt, brauche ich nicht mehr.“ Das ist ein Satz, den mir ein 80jähriger mal als sein Lebensmotto verraten hat. Nach seiner Erfahrung sind manche Dinge und Träume im Leben sehr schnelllebig, und hatten sich für ihn schon bald wieder erledigt. Er hatte Lust und vor allem auch die Freiheit, viel Neues auszuprobieren und alte Zöpfe buchstäblich abzuschneiden. Hab ich gehabt, brauche ich nicht mehr. Manches, von dem ich mir als junger Mensch vorgestellt habe, wie unbedingt nötig sie für mich wäre – die sortiert sich da schnell aus und macht Platz für wirklich Neues.

Hab ich gehabt, brauche ich nicht mehr.
Wenn ich an diese Formel denke, dann freue ich mich auf den Ruhestand als eine Zeit, mit der ich ganz neu träumen möchte, was ich in Zukunft suche. 

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