Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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07JUL2023
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Melani ist sieben Jahre alt und wohnt in Paraguay. Ich kenne sie erst seit zwei Wochen. Wobei: Kennen ist eigentlich übertrieben. Bisher habe ich ihr nur eine Mail geschrieben – und weiß noch wenig von ihr. Sie lebt in einer der ärmsten Regionen des Landes und geht in die Vorschule. Sie wächst ohne Vater auf. Auf dem Foto, das ich von ihr habe, steht sie mit ihrer Mutter Sonia unter einer Wäscheleine vor dem bunt angestrichenen Holzhaus der Familie. Melani lächelt, ihre Mutter sieht müde aus.

Melani ist mein Patenkind. Durch die Patenschaft, die eine Hilfsorganisation vermittelt hat, verbessern sich ihre Chancen für die Zukunft. Vor allem kann sie dauerhaft die Schule besuchen. Gerade für Mädchen ist das in ihrer Region nicht selbstverständlich.

 

Aber ist so eine Patenschaft überhaupt sinnvoll, fragen mich manche. Ist es gut ein Kind zu unterstützen – obwohl so viele auf der Welt in Not sind? Wenn sich die Situation in dem Land nicht grundsätzlich verbessert?

Ich glaube: Ja – und zwar aus zwei Gründen. Einmal, weil auch für die Hilfsorganisation klar ist: Man kann einzelnen Kinder nur helfen, indem man ihr Umfeld verbessert. Deshalb bieten Helfer in der ganzen Region Kurse an, zum Beispiel zu Gesundheitsthemen und Berufschancen. So helfen meine Spenden nicht nur Melani, sondern verändern auch grundsätzlich etwas – auch für viele andere Menschen.

Der zweite Grund ist, dass wir Menschen auf der ganzen Welt miteinander verbunden und voneinander abhängig sind. Man vergisst das leicht – aber Melani erinnert mich daran. Was wir hier tun und entscheiden, betrifft letztlich auch sie. Durch die Klimaveränderungen zum Beispiel vertrocknet der Rasen hier vor meiner Haustür – und 10.000 Kilometer entfernt, bei Melani in Paraguay, wo die Menschen hauptsächlich von der Landwirtschaft leben, stürzt die Dürre viele Familien in Not. Und Menschen, die dort keine Zukunft mehr für sich sehen, werden versuchen, woanders ein besseres Leben zu finden – so wie viele auch in Deutschland Zuflucht suchen. Letztlich sind ihre Probleme deshalb auch meine Probleme.

Ihr seid alle Kinder Gottes (Galater 5,26), Brüder und Schwestern – vor 2000 Jahren, als Jesus gepredigt hat, sah die Welt noch anders aus als heute. Seine Botschaft, dass Menschen bei ihm eine große Familie bilden, egal woher sie kommen, unabhängig von ihrer Nationalität, ihrem Geschlecht oder ihrer Position in der Gesellschaft – die war damals revolutionär. Und ich finde: Sie ist heute, in Zeiten der Globalisierung, aktueller als je zuvor. Mit Melani hat diese Botschaft für mich einen Namen und ein Gesicht: Durch Jesus gehören sie und ihre Mutter Sonia quasi zu meiner Familie. Und ihr Wohl sollte mir am Herzen liegen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37962
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