SWR3 Gedanken

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30JUN2023
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Mein Patensohn ist ein verträumter, eher stiller Typ. Sein Studium hat er mitten in Corona-Hochzeiten begonnen Keine Partys, nur online Seminare und Vorlesungen. Er hat kaum Kommiliton*innen kennengelernt und war zwischenzeitlich immer wieder sehr zurückgezogen. Traurig, fast depressiv. Erst in diesem Semester kann er wirklich so studieren, wie er sich das erträumt hat. Und Party machen. Theater spielen. Sich rumtreiben. Mit anderen Dinge erarbeiten.

Die alte Tante sieht ihn jetzt seltener, aber wenn er sich meldet, dann erklärt er so was wie: ‚Ich spiele Theater, willst du kommen? Ich genieße die Zeit sehr. Es ist wirklich gerade sehr schön hier mit den vielen tollen Leuten und dem Sommer!‘ Nichts gönne ich ihm so sehr, wie das Leben zu genießen. Die Freundschaft, den Sommer, die Liebe. Ich meine ja, Menschen, die nicht genießen, denen fällt es schwerer für die wichtigen Dinge auf- und einzustehen. Für die Freiheit. Für Gemeinschaft. Dafür, auch für andere da zu sein.

Studieren in aller Freiheit und mit anderen zusammen. Im Studium hat mein Patensohn Leute gefunden, die sich für die gleichen Dinge interessieren wie er. Mit ihnen geht er auf Reisen,

entdeckt neue Welten, tanzen, lachen, Musik machen. Mit Freundinnen und Freunden bis in die Nacht diskutieren und bei Aufgang der Sonne endlich eine Lösung finden, und feiern und glücklich sein.

Für mich war das die Zeit im Leben, die mich mit einem dicken weichen Polster ausgestattet hat.

Glückspolster. Vertrauenspolster. Das hilft auch durch schwere Zeiten. Ich habe darin auch erfahren, dass vieles gemeinsam gelingt, was alleine einfach nicht geht.

Für mich war das gottgeschenkte Zeit. Jetzt versuche ich, auf jeden Fall Zeit zu finden, damit ich dabei bin, wenn mein Patensohn Theater spielt. Das Glückspolster aufschütteln.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37909
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