SWR2 Wort zum Tag

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14JUN2023
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Eine kleine Nachricht vom letzten Monat hat mich aufhorchen lassen. Es war ein Wort aus dem Mund des Bundeskanzlers. Als neun Staats- und Regierungschefs im EU-Parlament ihre Visionen von Europa vorgestellt haben, da hat Olaf Scholz an die Mitgliedsstaaten appelliert, „in der Migrationspolitik voran zu gehen anstatt darauf zu warten, dass die Solidarität »wie der Heilige Geist« über sie komme.“ (ard – tagesschau.de – 9.5.2023).

Für mich erstaunlich: Ein Politiker erwähnt den Heiligen Geist, wenn es um praktische Politik geht. Der hat sein Neues Testament offenbar genau gelesen. Zweierlei höre ich raus:

1. Der Heilige Geist kann kommen. Und könnte Einigkeit stiften. So wie es in der Pfingstgeschichte in der Bibel steht: Menschen aus verschiedenen Völkern werden durch diesen Geist verbunden. Sprachunterschiede müssen Menschen nicht länger trennen. Sie werden vom Heiligen Geist zur Solidarität angestiftet.
Von Gütergemeinschaft und von Unterstützung für Bedürftige ist da die Rede. Und alles das schafft der Heilige Geist in Menschen. Auch Frieden und Einmütigkeit. Wie nötig wäre dieser Geist für gemeinsame Anstrengungen in Europa!

Nur – und das ist die zweite Botschaft, die ich in dieser Nachricht höre: Es dauert leider zu lange, bis er kommt. So lange können wir nicht warten. Hat der Heilige Geist etwa Verspätung? Und wann kommt er denn nun? Oder ist er längst schon da? Und wenn ja, wo? Ja, er ist schon da. Ich erlebe das so.

Da, wo Menschen aus dem Geist Gottes wachsen: Wo sie sich an seinen Weisungen für ein Leben in Frieden und Freiheit orientieren – da ist sein Geist wirksam.

Ich sehe diesen Geist in so vielen Menschen, die anderen beistehen. Die sich nicht entmutigen lassen. Die Schulen aufbauen, wo wenig Mittel da sind. Die Flüchtlingskinder unterrichten, auch wenn die Klassenzimmer dafür kaum ausreichen. Ich sehe den Geist in Menschen, die medizinische Hilfe leisten, wo sie bitter nötig ist. Die Menschen ohne Obdach Asyl gewähren, auch wenn das heftig bekämpft wird.

Gottes Geist ist schon da. In ihm ist Gott auf Erden gegenwärtig. In ihm ist Jesus mitten unter uns. Er sagt einmal: „Der Geist weht, wo er will.“ (Joh 3,8)

In aller Ungeduld ist das meine größte und manchmal auch einzige Hoffnung für unsere Zeit: Dass der Heilige Geist sich einmal ausbreitet wie der Wind, am besten rasch und sofort und überall. Darum gehört für mich die Bitte um den Heiligen Geist zu jedem Gebet und zu jedem Gottesdienst: „Komm Heiliger Geist, erfüll unsere Herzen mit dem Feuer deiner göttlichen Liebe. Uns und die ganze Welt.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37827
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