SWR2 Wort zum Tag

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10JUN2023
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Es ist ein ziemlich verwirrendes Kunstwerk, eigentlich;  eine Marmorgruppe stellt den sagenhaften Priester Laokoon dar und seine zwei Söhne – überfallen, umringelt, verwickelt von zwei Schlangen. Schon sehr durcheinander, das alles.  Dabei gilt diese Skulptur aus römischer Zeit, also zweitausend Jahre alt, anderseits als Vorbild, als Ideal von künstlerischer Gestaltung überhaupt. (Schon Goethe und sein Freund Eckermann haben sie  im Vatikan in Rom gesehen und regelrecht geschwärmt.)

Sehr einfach erzählt ist die Sage zu diesem Kunstwerk: Der Priester Laokoon hatte im Tempel seines Gottes eine Frau geliebt; und die Schlangen waren sozusagen die göttliche Strafe für diesen Frevel. Diese Szene hat der Bildhauer im ersten Jahrhundert in Stein gehauen; anderthalb tausend Jahre später ist sein Werk in Rom ausgegraben worden und an den Papst verkauft. Steht im Vatikanischen Museum…

Und da – der Verwirrung dritter Teil – da haben sich letztes Jahr  eine junge Kunststudentin und ein Gesundheitspfleger fast meines Alters am Sockel der Laokoon-Gruppe festgeklebt.  Klima-Aktivisten der Ultima Generazione, wie sie dort heißt. Vor sich ein Plakat „Kein Gas – keine Kohle – letzte Generation“. Weiteren Schaden für das Kunstwerk haben sie gezielt vermieden –  die Studentin ist schließlich vom Fach. Wobei: Kann man auch kritisch sehen, solche Klebe-Aktionen; die dürfen sicher nie andere Menschen in Gefahr bringen…

Am nächsten Montag – und das ist jetzt die nächste Stufe der Verwirrung: nächsten Montag stehen die beiden vor einem Gericht des Vatikan-Staates.  Das verwirrt, ja das verstört mich; Oberhaupt des Vatikans, der Monarch und Souverän also ist nämlich der Papst Franziskus, der in seiner bewegenden und ganz zentralen Enzyklika „laudato sí“ so dringend dazu aufgerufen hat und aufruft, endlich ernsthafte Schritte zu unternehmen, um die Welt und die Menschen vor der Klima-Katastrophe zu retten –  wenn es sein muss auch unter Verzicht auf manchen Wohlstand.

Da erinnert Papst Franziskus an den heiligen Franziskus und seine Liebe zu den Geschöpfen. Er beklagt, dass die Zerstörung der Schöpfung schon jetzt  die Armen viel härter trifft als uns Reiche –  wobei die Reichen vorläufig davon profitieren und alles noch verschlimmern…

… und seine Staatsanwaltschaft  hält die Klimaklebrin und ihren Kumpan für strafbar!? Ich bin fassungslos und verwirrt –  und hoffe, dass da Einsicht und päpstliche Gnade walte vor dem Strafrecht.

Ein Papst, der Gottes Schöpfung preist und dringend um Rettung fleht:  Wie sollte der ernsthaft Menschen bestrafen lassen,  die endlich die dringend nötigen Schritte in die richtige Richtung fordern?

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37803
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