SWR4 Abendgedanken

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07JUN2023
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„Ich bleibe!“ Das ist meine Antwort auf die Frage, die mir im Bekanntenkreis immer wieder gestellt wird: „Willst Du echt noch zu dieser katholischen Kirche gehören?“ Ich kann gut verstehen, wenn viele die Kirche verlassen, vor allem Frauen. Ein wichtiger Grund ist, dass Frauen und Männer in der katholischen Kirche nicht gleichberechtigt dabei sein dürfen. Und das ist heute einfach wichtig. Und es ist richtig, das zu erwarten!

Ich bleibe, weil ich eine lange Geschichte mit dieser Kirche habe. Eine, die gut ist. Auch, was das Thema Gleichberechtigung angeht. Ich habe offene und kritische Priester kennengelernt, die Vieles möglich gemacht haben, was offiziell eigentlich nicht ging: Schon 1980 durfte ich als Mädchen ganz selbstverständlich ministrieren. Und dann, 2022, habe ich miterlebt, dass der letzte Wille meines verstorbenen Heimatpfarrers von anderen Priestern mitgetragen wurde: Er hatte sich gewünscht, von einer Frau beerdigt zu werden.

„Wir bleiben“. Das haben vor kurzem auch 17 Frauen gesagt und ihre Geschichte mit dem Glauben und der katholischen Kirche in einem Buch[1] erzählt. Prominente Politikerinnen sind darunter wie Annette Schavan oder Andrea Nahles. Eine besondere Geschichte erzählt Gerlinde Kretschmann, die Frau des Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg. Sie ist als junge Frau aus der Kirche ausgetreten und sie ist wieder zurückgekommen. Schon als Kind hatte sie mit der Kirche gehadert. Ein Grund war damals die Beichte, der andere die Tatsache, dass sie als Mädchen nicht wie ihre Brüder Ministrantin werden durfte.

Ihr Weg zurück hat lange gedauert. Sie war über 50 bis sie sagen konnte: „Jetzt will ich da wieder richtig dazugehören!“ Der Kirchenchor und die Gemeinschaft der Sängerinnen und Sänger waren dabei ganz wichtig für sie. Jetzt will Gerlinde Kretschmann bleiben, auch oder gerade in dieser Krisenzeit. Denn sie sagt: „Was hätte ich jetzt davon, wenn ich austreten würde? Das ist wie mit der Politik auch, ich kann doch nur Einfluss nehmen, wenn ich dabei bin.“

Genau deswegen bleibe ich auch. Ich möchte weiter davon erzählen, dass Jesus keinen Menschen ausgeschlossen hat und dass er in einer Zeit, die von Männern dominiert war, bewusst Frauen gefördert hat. Es war übrigens ein Papst höchstpersönlich, der diese Gleichberechtigung eingefordert hat. Papst Paul VI hatte 1965 geschrieben, dass „jede Form einer Diskriminierung … sei es wegen des Geschlechts oder der Rasse … überwunden und beseitigt werden muss, da sie dem Plan Gottes widerspricht“. (Pastoralkonstitution Gaudium et spes, Nr. 29).

Klarer kann man es nicht sagen. Eine andere Kirche ist möglich. Und bei dieser Kirche möchte ich dabei sein!

 

[1] „Wir bleiben! Warum sich Frauen nicht aus der katholischen Kirche vertreiben lassen“, Hirzel Verlag

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37783
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