SWR3 Gedanken

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30MAI2023
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Ganz aufgeregt ist er. Ein kleiner Junge, vielleicht vier, fünf Jahre… Da steht er am Straßenrand und schaut immer wieder super gebannt auf den Boden. Seine Mutter steht neben ihm. Versucht, ihn zu beruhigen. Ich gehe vorbei – und versuche, einen Blick auf das zu werfen, was die Aufmerksamkeit des Jungen so fesselt. Beim Vorbeigehen sehe ich: Da wächst eine Blume am Straßenrand. Mitten im grau in grau der Straße hat sie sich durch den Asphalt gekämpft. Mit blass violetter Blüte. Noch nicht ganz erblüht. Und ein bisschen schlapp. „Mama, die Blume braucht Wasser!“ Ein paar Gesprächsfetzen kriege ich mit. “Die kann doch da nicht so alleine bleiben. Die braucht jemanden, der sich um sie kümmert!“ – Ich bin vorbei – aber das Bild nehme ich mit. – Als ich am Abend wieder an der Stelle vorbeikomme, bin ich gespannt: Die kleine Blume ist weg. Ob sie der Junge mitgenommen hat? Dann aber mit Wurzeln, Stiel und Stumpf. Nichts ist mehr da… Und ich stelle mir vor, wie er sie vorsichtig ausgegraben hat, um sie zu Hause vielleicht in einen Blumentopf zu setzen. Eine so schöne Idee. Finde ich – und begreife: So oder so, der Junge hat mehr verstanden, als viele andere. - „Wer Bäume setzt, obwohl er weiß, dass er nie in ihrem Schatten sitzen wird, hat zumindest angefangen, den Sinn des Lebens zu begreifen.“ Hat der bengalische Dichter Rabidranath Tagore einmal gesagt. 

Und gemeint: Sich mit großem, offenen Herzen – ganz uneigennützig - für die Welt, für Gottes Schöpfung, und für alles, was in ihr ist, einzusetzen, das ist zumindest ein Teil vom Sinn des Lebens. Denn nur so gibt es eine echte Zukunft. Für alle.  

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