SWR4 Abendgedanken

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02JUN2023
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„Liebe Geschwister,“ so spreche ich manchmal Menschen an, von denen ich weiß, dass sie an Gott glauben. Und die finden das auch gar nicht merkwürdig, denn sie wissen wie ich: Gott ist zu uns Menschen wie ein Vater oder wie eine Mutter; und so sind wir füreinander wie Geschwister. Dass wir uns deswegen besonders gut verstehen und vertragen, ist damit allerdings noch lange nicht ausgemacht. Auch in Glaubensfamilien gibt es leider manchmal Streit. Und wenn aus Streit Feindschaft wird – oder sogar Krieg, dann ist das ganz besonders tragisch.

In der Bibel gibt es viele Geschichten von Geschwistern, die sich schwertun miteinander: Offenbar ist das eine alte Menschheitserfahrung.

Zum Beispiel die der Zwillingsbrüder Jakob und Esau. Schon bevor sie auf die Welt kommen, scheinen die beiden miteinander zu kämpfen – noch im Mutterleib! Esau ist ein paar Minuten älter als sein Bruder Jakob; – und sogar äußerlich kann jeder sehen, wie grundverschieden die beiden sind.

Auch als junge Erwachsene gehen sich die beiden lieber aus dem Weg.
Als Esau aber einmal todmüde von der Feldarbeit nach Hause kommt, bittet er seinen Zwillingsbruder, ihm von seinem Essen etwas abzugeben – ein Linsengericht, das Jakob gerade frisch gekocht hatte. Jakob stellt eine Bedingung. Er verlangt, dass Esau ihm das Erstgeburtsrecht dafür abtritt.

Was für eine Forderung! Der erstgeborene Sohn bekommt das Eigentum des Vaters. Eigentlich ist Esau dazu bestimmt, einmal das Oberhaupt der Familie zu werden. Er ist nun mal der ältere – wenn auch nur um ein paar Minuten.  Esau geht aber tatsächlich darauf ein. Und Jakob macht den Tausch seines Lebens: Ein paar Linsen gegen ein kleines Familien-Imperium.

Und so geht es weiter zwischen den beiden. Es geht um Macht, um Anerkennung und um die Vorherrschaft – und aus den Brüdern werden Feinde.

Trotzdem bleiben sie Brüder. Ihre Wege sind und bleiben miteinander verwoben. Und ganz am Ende der Geschichte versöhnen sich die beiden Brüder. Eine Geschichte über Streit unter Geschwistern, aber auch darüber,  wie Gott eingreift und am Ende Versöhnung möglich wird.

Das ist meine Hoffnung für alle Geschwisterkämpfe in den Familien, in der Gemeinde und unter den Völkern. Dass sie am Ende zur Versöhnung finden. Deswegen sage ich gerne „liebe Geschwister“ zu den Menschen in meiner Umgebung, auch dann, wenn ich weiß, dass sich nicht alle nur mögen. Es ist wie ein Versprechen, dass für Geschwister durch Gottes Eingreifen Versöhnung möglich wird.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37725
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