Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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25MAI2023
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Einem Menschen richtig zuhören – das ist ganz schön herausfordernd.

Klar, auf ein paar Dinge habe ich auch bisher schon geachtet. Dass ich zum Beispiel darauf verzichte, vorschnell „Kenne ich“ zu sagen, wenn mir jemand von sich erzählt. Ich will das Gespräch ja nicht auf mich lenken, sondern meinem Gegenüber genügend Raum lassen. So weit war ich schon.

Aber was ich schon normalerweise mache beim Zuhören: Dem anderen signalisieren, dass ich ihm folgen kann. Etwa mit einem „Ja, verstehe“ oder nur mit einem „Mhmmm“. Oder ich nicke, ändere meine Mimik – reagiere also ohne Worte auf das, was ich da höre.

Es gibt einen Psychotherapeuten, der schlägt vor, es radikal anders zu machen. Im so genannten „Zwiegespräch“ [Michael Lukas Moeller, Die Wahrheit beginnt zu zweit. Das Paar im Gespräch, Reinbek bei Hamburg 1990] erzählt der eine, wie es ihm gerade persönlich geht, – und der andere hört tatsächlich einfach nur zu. Reagiert also bewusst gar nicht, weder mit Worten noch irgendwie sonst. Und das nach Möglichkeit eine ganze Viertelstunde lang. Zu Beginn reichen natürlich auch schon mal fünf Minuten.

Meine Frau und ich haben das jetzt ein paar Mal ausprobiert. Für mich war es erst mal irritierend, auf diese Weise zuzuhören. Und ich bin mir richtig unhöflich vorgekommen, so gar nicht auf das Gehörte einzugehen. Weil ich es doch sonst ganz anders gewohnt bin.

Auch als wir die Rollen getauscht haben, musste ich erst mal warm werden mit der neuen Situation. Schon fünf Minuten sind ganz schön lang, wenn man sie völlig alleine füllen soll, durch überhaupt nichts unterbrochen wird. Gibt es so viel zu erzählen von mir, bin ich so wichtig? Ab und zu ist mir einfach nichts mehr eingefallen, so dass es plötzlich ganz still war.

… aber dann habe ich eben einfach gesagt, was ich gerade denke. So banal mir das erst mal vorkam. Und – auch das ist in Ordnung im Zwiegespräch. Mit der Zeit hat es sich ganz befreiend angefühlt, so viel Raum zu haben. Und mir ist immer mehr eingefallen. Ich konnte ganz bei mir sein – und mich gerade damit einem anderen Menschen zeigen.

Diese Erfahrung will ich auch anderen Menschen ermöglichen. Und ihnen noch mehr Raum lassen beim Zuhören. Mal sehen, was dann passiert.

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