SWR3 Gedanken

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03MAI2023
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„Wenn mein Vater noch am Abend Kaffee gekocht hat und anschließend in der orangefarbenen Thermoskanne auf den Tisch gestellt hat, dann habe ich gewusst: jetzt verschwinde ich besser auf mein Zimmer.“ Das erzählt mir Martin aus seiner Kindheit.

Ganz deutlich erinnert er sich an die Stimmung, die mit der Thermoskanne in die Küche kam. Oder besser an die Stimmung, die schon vorher mit Händen zu greifen war.

Die Sache mit dem Kaffeekochen am Abend kam nämlich nur dann vor, wenn Martins Eltern sich vorher gestritten hatten. Erst gab es heftige Worte. Und dann hat keiner von beiden mehr was gesagt. Es konnten Stunden vergehen, ohne dass die beiden ein Wort miteinander gewechselt haben.

Aber dann kam der Abend. Und wenn es da immer noch keine Annäherung gegeben hatte, kochte sein Vater Kaffee. Und die Mutter verstand und setzte sich zu ihm an den Küchentisch. Die Kanne kam auf den Tisch, zwei große Tassen und sie begannen zu reden. Ohne laut zu werden.

Martin hat niemals gelauscht. Für ihn als Kind war das Ergebnis wichtig: Versöhnte Eltern, die ihn am nächsten Morgen mit einem Lächeln weckten. Streiten kann ganz schön anstrengend sein. Und manchmal auch verletzend. Aber es lohnt sich, die Dinge auszusprechen und zu klären. Und zwar nicht erst Tage später.

„Lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen“ – eine uralte Weisheit aus der Bibel. Sie taugt immer noch. Nicht nur für Martins Eltern.

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