SWR2 Wort zum Tag

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27APR2023
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„Ein ewig Rätsel will ich sein, mir und allen anderen“.

Dieser Ausspruch wird Ludwig II., König von Bayern, nachgesagt. Der Märchenkönig, wie man ihn häufig nennt, hat sich während seiner Regierungszeit immer weiter von der Welt und den Menschen entfernt. Er hat sich immer stärker in seine Traumwelten zurückgezogen. Warum - Man weiß es nicht genau. Auf jeden Fall hat er sich und seine Situation mit diesem Satz umschrieben: „Ein ewig Rätsel will ich sein, mir und allen anderen“.

Diese Formulierung ist ziemlich pathetisch. Denn der Inhalt des Satzes wirkt doch eigentlich ziemlich banal. Denn König Ludwig musste sich doch gar nicht darum bemühen ein Rätsel für andere zu sein. Er war es doch sowieso. Schon allein deshalb, weil er ein Mensch war. 

Ich glaube, wir können einen anderen Menschen nie ganz ergründen. Nie ganz dahinter kommen, wer in unserem Gegenüber steckt. Jeder ist immer anders als gedacht.

Allerdings habe ich den Eindruck, dass wir uns oft dagegen wehren. Wir neigen dazu uns ein Bild von anderen Leuten zu machen und wenn das fertig ist, versuchen wir es aufrechtzuerhalten. Ja manchmal zwängen wir den anderen geradezu in unser Bild hinein. Und alles, was er sagt oder tut, wird dann aus diesem Blickwinkel heraus interpretiert.

Zugegeben, das ist ein bisschen überspitzt ausgedrückt, aber es steckt ein wahrer Kern darin.

Ist der andere wirklich so wie ich ihn sehe, oder mache ich ihn zu dem, was er in meinen Augen ist. Oder schärfer gesagt: Was er in meinen Augen zu sein hat.

Ich für meinen Teil muss zugeben, dass ich mich manchmal dabei ertappe, mein Bild von jemandem mit aller Macht zu bestätigen. Es gibt ja auch Sicherheit, wenn ich jemanden kenne und einschätzen kann. Vielleicht ist das auch die Grundlage dafür, dass ich jemandem vertrauen kann. Gleichzeitig bin ich andererseits aber manchmal ganz erschrocken darüber, welch verkürztes Bild andere von mir haben. Ich bin doch ganz anders als sie denken. Viel vielschichtiger. Viel mehr. Und wenn ich dieses Bild, das ich von mir selber habe, berücksichtige, dann klingt das Zitat des Märchenkönigs gar nicht mehr so banal, wie ich es behauptet habe.  Denn vielleicht drückt der Wunsch „Ein ewig Rätsel will ich sein“ nicht aus, dass er schwer durchschaubar oder geheimnisvoll sein will. Sondern dass er einfach so sein und gesehen werden will, wie er ist. Wie wir Menschen eben sind: Rätselhaft und widersprüchlich. Auf jeden Fall mehr als das, was man sehen kann.

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