SWR3 Gedanken

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25APR2023
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Gerade habe ich wieder ein PostIt neben das Kreuz in meinem Wohnzimmer gehängt. „Oma Inge“ steht darauf. Ich hab das gemacht, weil meine Oma gerade eine schwere Zeit durchmacht. An dem Kreuz hängen noch andere Namen, und Zeitungsartikel. Z.B. einer über die Frauen in Iran, die für ihre Freiheit kämpfen, und einer über die Schlacht um Bachmut in der Ukraine. Personen und Themen, die mich gerade besonders beschäftigen, haben da einen Platz. Mein Mann nennt diese Wand unsere „Klagemauer“. Es ist zwar nur ein ganz kleines Ritual, aber für mich ist es wie ein Gebet. Wenn Leute in der Kirche Kerzen anzünden ist das auch so ein Ritual: geht einfach und schnell – und auch das ist für mich wie ein Gebet.

Beten geht nicht nur mit dem Kopf. Ich muss keine großen, klugen Reden formulieren. Manchmal kann ich das auch gar nicht, weil mir schlicht die Worte oder die Kraft dazu fehlen. Eine Verbindung spüren zwischen mir und Gott oder einem lieben Menschen. Alles in Gottes Hände legen, was mich bedrückt oder wer mir wichtig ist. Wenn ich traurig bin oder dankbar und Gott das sagen möchte. All das geht auch durch kleine Gesten und Rituale. Und ganz praktisch mit den Händen. Wenn ich eine Kerze anzünde, ein Grab pflege, jemandem ein Essen vorbeibringe oder ihn umarme. Diese und viele weitere Dinge bringen mich – mitten im Alltag – in Verbindung mit den Menschen um mich herum und mit Gott. Und das macht mein Leben reicher.

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