SWR3 Gedanken

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29MRZ2023
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Ich wüsste so gern, wie genau mein letztes Abendessen mit meinem Vater war. Ich vermute, es war bei ihm daheim am Küchentisch. Aber was es zu Essen gegeben hat oder über was wir geredet haben, das weiß ich nicht mehr. Mein Vater hatte letzten Sommer einen Herzinfarkt und dann ging alles ganz schnell. Vor seinem Infarkt haben wir uns zwei Wochen nicht gesehen. Ich habe nicht gewusst, dass es das letzte gemeinsame Essen sein würde. Und deshalb erinnere ich mich auch nicht daran.

Kurz nach seinem Tod habe ich immer wieder gedacht, ich müsste viel öfters Dinge so machen, als würde ich sie zum letzten Mal tun. Wenn ich einen Kaffee mit einem Freund trinke – wer weiß – es könnte unser letzter gemeinsamer sein. Wenn ich mich verabschiede, mitdenken, dass es ja das letzte Mal sein könnte, dass wir uns sehen.

Aber dann habe ich gemerkt, das geht für mich nicht, so zu leben. Das bedeutet die ganze Zeit den Druck, jetzt noch alles, was geht, mitzunehmen und danach womöglich noch zu denken „Hätte ich doch nur noch dies oder das…“

Ich könnte stattdessen lieber etwas versuchen, was ich von meinem Vater gelernt habe: Nämlich Dinge ganz bewusst zu tun. Genießen können und ganz aufmerksam sein, so als ob ich das, was ich tue, gerade zum ersten Mal mache. Und dann den Moment so richtig in meine Seele rein lassen, so dass er sich tief eingraben kann. Das ist nicht nur in diesem Moment schön, ich kann mich auch danach besser daran erinnern.

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