SWR2 Lied zum Sonntag

SWR2 Lied zum Sonntag

19MRZ2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Ubi caritas, aus: Laudate omnes gentes

Am Gründonnerstag sitzt eine junge Pfarrerin in ihrem schwarzen Talar auf einem Bordstein auf der Hamburger Reeperbahn, neben sich eine Schüssel mit warmem Wasser, Handtuch und Seife. Wer vorbeikommt, kann sich von ihr die Füße waschen lassen. Gut gelaunte junge Leute setzen sich auf den Klappstuhl, den sie vor sich aufgestellt hat, genauso wie überraschte Touristen und Menschen ohne festen Wohnsitz, die nicht jeden Tag Zugang zu einem Bad haben. Manche genießen einfach das warme Wasser und die angenehme Berührung. Andere stellen Fragen, kommen ins Gespräch. Was ist das für eine Aktion?

Ubi caritas, aus: Laudate omnes gentes

Ubi caritas et amor – deus ibi est – Wo Güte ist und Liebe, da ist Gott. Berühmt geworden ist diese mittelalterliche Antiphon durch den Gesang aus Taizé, den wir gerade gehört haben. Ursprünglich ist der Text im 8. Jahrhundert in St. Gallen entstanden – und gehörte zur Liturgie am Gründonnerstag, zur Fußwaschung.

Im Johannesevangelium wird davon erzählt, wie Jesus, der Lehrer und Meister, am Tag vor seinem Tod im Kreis seiner Schüler sein Obergewand ablegt, eine Schürze umbindet und sich auf den Boden kniet. Und dann fängt er an, seinen überraschten Jüngern den Schweiß und Staub von den dreckigen Füßen zu waschen. So wie die Hamburger Pfarrerin es 2000 Jahre später ihm gleichtut. Sich zuwendet. Berührt. Überraschend und wohltuend.

Ubi caritas, aus: Laudate omnes gentes

Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. An diese Zeile aus dem 1. Johannesbrief lehnt sich der Text des Gesangs an. Gott ist, wo die Liebe ist. Das gilt auf doppelte Weise.
Gott ist da, wo Zuneigung ist – auf lateinisch amor. Gott ist zu finden, wo Menschen sich lieben – mit Leib und Seele. Wo sich zwei gern haben: Liebespaare, aber auch allerbeste Freunde, Mutter und Tochter, Schwester und Bruder.

Und: Gott ist da, wo Zuwendung ist – auf lateinisch caritas. Gott ist zu finden, wo jemand – wie Jesus in der Geschichte – die Schürze umbindet und für andere Menschen da ist. Nicht, weil er muss, auch nicht aus Kalkül – sondern weil er will. Nicht nur für die, die ihm an nächsten stehen, sondern für die, die eben genau jetzt Hilfe brauchen.

Ubi caritas, aus: Laudate omnes gentes

Wo Liebe ist und Güte, da ist Gott. Ich habe die Erfahrung gemacht: Zuwendung und Zuneigung – beides ist auch in schweren Zeiten zu finden. In kleinen und großen Krisen. Vielleicht sogar besonders da. So wie Gott.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37304
weiterlesen...