SWR2 Wort zum Tag

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16MRZ2023
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Ich finde, Eulen sind faszinierende Vögel. Sie jagen nachts und bewegen sich fast lautlos. Besonders hübsch finde ich das herzförmige Gesicht. Das kommt daher, dass um Schnabel und Augen herum weiße Federn in Herzform wachsen. Sie helfen der Eule beim Hören, denn die feinen Federn leiten schon leiseste Geräusche direkt in die Ohren.

Ein Herz, das beim Hören hilft – das hätte auch gerne König Salomo. Aber er meint es ein bisschen anders als bei der Eule.

König Salomo ist der Sohn von König David aus dem Alten Testament. Ihm wird nachgesagt, er sei unheimlich weise gewesen. Als es um die Geschichte des Herzens geht, das beim Hören helfen soll, ist Salomo erst ganz kurz im Amt. Im Traum erscheint Gott dem jungen König und sagt: „Wünsch dir was, Salomo, und ich werde es dir erfüllen.“

Salomo wäre nicht der weise Salomo, wenn er nicht erst gründlich überlegen würde. Denn so eine Chance, dass Gott einen Wunsch erfüllt, das erlebt man nicht alle Tage - das ahnt er gleich. Also poltert er nicht gleich los mit Reichtum oder Gesundheit oder Macht. Sondern er sagt etwas, was mir nie eingefallen wäre, wahrscheinlich nicht einmal im Traum. Salomo sagt: „Gib mir ein Herz, das mir beim Hören hilft. Damit ich leichter das Gute vom Bösen unterscheiden kann und ein guter König werde.“ Das ist beeindruckend, finde ich.

Gott scheint nicht weniger beeindruckt zu sein. Und er antwortet Salomo: „Weil du gerade diese Bitte ausgesprochen hast und nicht um das Übliche gebeten hast, werde ich deine Bitte erfüllen.“ Der Rest der Geschichte ist bekannt: Salomo ist tatsächlich ein sehr weiser König geworden. Er soll fähig gewesen sein, genau hinzuhören, gut abzuwägen, Kompromisse zu finden, das gute Ergebnis vor persönliche Eitelkeiten zu stellen. Und noch heute sprechen wir von einem „salomonischen Urteil“, wenn etwas besonders gut gelöst wird.

Manchmal habe ich das Gefühl, dass die heutigen „Könige“ aus Politik und Wirtschaft auch gut so ein Herz gebrauchen könnten, das beim Hören hilft. Zum Beispiel wenn ich höre, wie viel Geld in Rüstungsexporte fließt und wie wenig Geld in Entwicklungshilfe. Wenn ich sehe, wie viel Grünflächen versiegelt werden, oder wie viel Urwald abgeholzt wird. Wenn ich vergleiche, wie viel ein Fußballspieler und eine Altenpflegerin verdienen.

Ein „hörendes Herz“ – das wünsche ich ganz vielen. Und eigentlich nicht nur den Königen, Managern und Machern, sondern auch mir selbst. Ein „hörendes Herz“, das spürt, was Gut und was Böse, was richtig und was falsch ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37254
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