Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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10MRZ2023
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Tiere gehen immer. Dokus über Wildtiere, Serien über den Alltag im Zoo, Hundetrainer, die nervöse Terrier zu umgänglichen Hausgenossen machen. Auch in den sozialen Medien sind Videos mit Tieren der Renner und werden öfter angeklickt als alles andere. Und ganz besonders beliebt sind Videos über Tiere unterschiedlicher Arten, die sich miteinander anfreunden.

Vor ein paar Jahren machten ein Tiger und eine Ziege Furore. Im Zoo von Wladiwostock sollte das Tigermännchen Amur den lebendigen Ziegenbock Timur als besonderes Schmankerl bekommen. Es kam anders, denn der Tiger hat den Bock nicht erlegt. Stattdessen wurden die beiden zu einer richtigen WG. Nach ein paar Monaten gehen sie einander dann offenbar doch auf die Nerven, der Bock provoziert den Tiger so lange, bis der ihn am Genick packt und von sich weg schleudert. Wahrscheinlich wollte er ihn nicht töten, sondern nur zurechtweisen, eben so, wie ein Tiger auch seine Jungen erzieht. Der verletzte Bock überlebte. Danach hat man Tiger Amur und Bock Timur dann doch in getrennten Gehegen untergebracht. Diese Geschichte ist so spektakulär, dass sie‘s bis in die seriösen Nachrichtensendungen geschafft hat. 

Freundschaften zwischen Tieren, die eigentlich natürliche Feinde sein müssten. Das hat was. Das fasziniert. Ich glaube, es ist nicht nur die Sensationslust, die uns solche Filme wie hypnotisiert verfolgen lässt. Es ist auch eine Sehnsucht, die wir in uns tragen: die Sehnsucht, dass der Kampf ums Überleben nicht der letzte und tiefste Sinn der Wirklichkeit ist. Dass alle Geschöpfe mit ihren so unterschiedlichen Lebensweisen und Bedürfnissen zusammenleben können. Friedlich. Ob so etwas jemals möglich wird?

Ja, sagt die Bibel. Und entwirft ein Bild, das dem Idyll im Zoo von Wladiwostock ganz ähnlich ist: „Wolf und Lamm weiden zusammen, der Löwe frisst Stroh wie das Rind“, heißt es da (Jesaja 65,25). Und wann soll das sein? Nicht jetzt, noch nicht. Denn noch leben wir mit allen Geschöpfen in der irdischen Welt. Aber die Ahnung davon tragen wir in uns.

Vielleicht sind die unerklärlichen Tierfreundschaften, die uns so sehr faszinieren, ja kleine Erinnerungen. Damit wir sie nie vergessen, unsere Sehnsucht nach Frieden – und unsere Ahnung von einer friedlichen Welt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37222
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