Anstöße sonn- und feiertags

Anstöße sonn- und feiertags

05MRZ2023
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Kraftausdrücke gelten als unfein. Und sie sind es auch, die meisten jedenfalls. Aber es gibt sie nun mal, und es gibt Menschen, die Kraftausdrücke so selbstverständlich verwenden wie jedes andere Wort. Die sich ohne sie vielleicht gar nicht so leicht ausdrücken können. Sie sind gleichsam Kraftpakete der Sprache. Wer Kraftausdrücke verwendet, ist ohne sachliche Distanz, mittendrin, mit ungezügelter Emotion.

Es mag ja guttun und mich momentan entlasten, wenn ich hinter der Frontscheibe sage: so ein Idiot! Oder noch Schlimmeres. Aber: Muss das so sein? Muss das sein, dass Kraftausdrücke nur so was sind wie ein Blitzableiter? Sie sollen doch meine ‚Kraft‘ zeigen, meine innere Stärke, mein Engagement, meine Gefühle. Und meine ‚Kraft‘ ist ja zum Glück mehr als meine Aggressionen und meine Wut. Da gibt es doch auch ganz andere Kräfte in mir. Sympathie, Liebe, Mut, Hoffnung, Ausdauer ... Wollen die nicht auch mal raus, sich spontan zeigen? Vielleicht schon, aber nicht so explosiv wie mir manchmal ein Schimpfwort entfährt.

Komm, das ist doch nicht so schlimm! Oder: Zusammen kriegen wir das hin! Oder: Wenn ich dich nicht hätte ...Oder: Wie kann ich Ihnen helfen? Das alles sind auch ‚Kraft-Ausdrücke‘, Ausdruck von Kraft, Worte, die meine Kraft zeigen – und die mir zugleich Kraft geben, wenn ich innerlich zweifle und mich schwach fühle.  

Aber manchmal merk ich auch, dass menschliche Kraft allein nicht genug ist, etwa um eine Gefahr zu überstehen oder eine schwierige Situation zu bewältigen. Dann erinnere ich mich an ‚Kraftausdrücke‘, mit denen Menschen früherer Generationen gelebt haben. ‚Himmel, hilf!‘ hat eine ältere Kollegin immer gesagt. ‚Gott steh mir bei!‘ Das hab ich als Kind noch manchmal von alten Leuten gehört. Bei mir sind das dann eher Seufzer, manchmal gesprochene, manchmal nur gedachte. ‚O Gott‘, wenn ich erschrecke. ‚Ach Gott‘, wenn irgendwas Schlimmes passiert ist. Aber auch ‚Gott sei Dank‘, wenn etwas gerade nochmal gut gegangen ist. Keine richtigen Gebete, aber doch unscheinbare  ‚Kraftausdrücke‘. Ausdrücke, die mir Kraft geben. Auch wenn mir nicht immer bewusst ist, dass ich mich da gerade mit der göttlichen Kraft verbinde. Aber ich spüre: sie wirkt. Trotzdem.  

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