SWR2 Wort zum Tag

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08MRZ2023
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Atmen kann man als rein physiologischen Vorgang begreifen. Sauerstoff wird vom Organismus aufgenommen und Kohlendioxid wieder abgegeben. Das ist eine Beschreibung aus biologischer Perspektive. Atmen ist jedoch mehr. Eine Atemtherapeutin hat einmal gesagt: Man ist, wie man atmet. Diese Aussage hat Bezüge zum biblischen Verständnis von Atem. Denn in der Bibel steht der Atemvorgang für den ganzen Menschen und seine Persönlichkeit.

Die Bibel sieht die Verbindung zwischen dem Atem, der in uns strömt, und dem Geist, der in uns atmet. Und wenn wir sagen, dass wir Luft zum Atmen brauchen oder dass uns etwas die Luft nimmt, dann meinen wir mehr als das körperliche Geschehen.

Atmen geschieht buchstäblich nicht im luftleeren Raum. Die Räume, in denen wir uns aufhalten und bewegen, haben einen direkten Einfluss darauf, wie frei oder mühsam wir atmen können. Ist der Raum hell und luftig, oder vollgestellt und drückend eng, eine „dumpfe Stube“. All das hat Auswirkungen auf unser Atmen und auf unseren Geist. Besonders betroffen davon sind unsere Kinder, die sich nicht aussuchen können, in welchen Räumen sie leben und atmen müssen.

Ich erinnere mich noch genau an die Schule, in der ich in meinen ersten Amtsjahren Religionsunterricht gegeben habe. An die schmutzigen Wände in dem düsteren Gebäude aus der Jahrhundertwende, das genauso gut eine Kaserne hätte sein können. Es ist sträflich, dass nach wie vor Kinder in lieblos gestalteten, angsteinflößenden Schulgebäuden lernen müssen. Bei manchen Gebäuden aus den sechziger Jahren weiß man nicht, was gefährlicher ist: Asbest in den Dächern oder die Architektur. Oft genug fällt dann noch der Sportunterricht an der frischen Luft aus – im einzigen Freiraum, in dem ein frischer Wind wehen kann. Das ist ein Skandal in einem reichen Land wie der Bundesrepublik.

Menschen - und besonders unsere Kinder - brauchen Räume, in denen sie den Geist der Menschlichkeit atmen und sowohl ihre Lungen als auch ihre Kreativität entfalten können. Wir Menschen - junge und alte - brauchen inspirierende Räume.

Als Christin meine ich: Wir brauchen Räume, in denen Gottes schöpferischer Geist wehen kann, und in denen wir diesen Geist atmen und uns inspirieren lassen können.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37209
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