SWR2 Lied zum Sonntag

26FEB2023
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Am Anfang, so erzählt es die Schöpfungsgeschichte, am Anfang ist alles wüst und leer und finster. Am Anfang ist die Stille. Und dann: Eine Stimme. Eine Stimme, die sagt: „Es werde“. Licht und Finsternis, Himmel und Erde, Wasser und Land und vieles mehr. All das entsteht aus dem Schweigen, aus der Stille.

Wie wichtig dieses Schweigen ist, davon erzählt das Lied Schweige und höre.

 

Musik 1

Schweige und höre, neige deines Herzens Ohr, suche den Frieden.

 

Schweigen tut gut. Um zu hören, was Sache ist. Was andere sagen, was das Herz sagt. Schweigen ist also kein Selbstzweck. Das Schweigen hat eine Zielrichtung. Das Lied benennt dieses Ziel: Den Frieden zu suchen. Eine ziemlich aktuelle Aufforderung. Da brauche ich nur in die Ukraine zu sehen. Im Gedröhn der Bomben, im Rattern der Panzer, dem Geräusch einstürzender Häuser und den Schreien sterbender Menschen, da kann der Friede kein Gehör finden. Nicht umsonst heißt es ja auch, wenn ein Krieg zu Ende geht: Die Waffen schweigen. Schweige und höre summe ich in diesen Tagen als Protestsong gegen Krieg und Gewalt.

 

Musik 2

Schweige und höre, neige deines Herzens Ohr, suche den Frieden.

 

Eine Redewendung lautet: Da ist jemand ganz Ohr. Dafür wirbt auch der Kanon. Dass Menschen ganz Ohr werden. Wie das geht? Das Lied packt das in vier Verben: Schweigen, hören, neigen, suchen. Das klingt schon so wie eine kleine Anleitung für den Alltag. Die Verben wollen mich aus Hektik und Geschäftigkeit herausbringen. Wollen mich hineinführen in eine innere Sammlung.

Das kann überall gelingen. Aber mir helfen da spezielle Räume. Wenn ich Ruhe suche, dann ziehen mich etwa Kirchen an. Da kann es drumherum noch so trubelig sein: In der Kirche findet sich Stille zu einem Stelldichein. Ich kann mich in eine Bank setzen. Mich umsehen, hören. Nach innen hören. Und zu mir kommen.

 

Musik 3

Schweige und höre, neige deines Herzens Ohr, suche den Frieden.

 

Aus der Stille, aus dem Schweigen, da kann Neues entstehen. Das wusste schon Benedikt von Nursia. Auf seine Ordensregel geht der knappe Text zu dem Kanon Schweige und höre zurück. Benedikt lebt im 5. und 6. Jahrhundert und gilt als Erfinder des Mönchtums. Er gründet einen Orden, der seinen Namen trägt: Die Benediktiner und Benediktinerinnen. Der Kanon verknüpft drei wichtige Sätze aus seiner Ordensregel: Schweigen und hören (Kapitel 6, Satz 6), Neige das Ohr deines Herzens (Prolog, Satz 1), Suche den Frieden (Prolog, Satz 17). Das, so sagt Benedikt, ist wichtig für Menschen, die zusammenleben.

Ich verstehe das so: Gemeinsam das Leben gestalten, das geht nur, wenn Menschen sich und anderen zuhören, wenn sie nach Frieden mit sich und anderen suchen. Der Kanon setzt das wunderbar um: Alle, die singen, haben ihre eigene Stimme, aber nur, wenn sie aufeinander hören, dann klingt der Kanon. Wie das Leben auch.

 

Musik 1

Schweige und höre, neige deines Herzens Ohr, suche den Frieden.

 

 

Text: Michael Hermes (1969)

Musik: aus England

Rechte: Benediktinerabtei Königsmünster, Meschede

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37184
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