SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

04MRZ2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Es ist die größte Versammlung, die die Erde je gesehen hat. Alle Menschen, die jemals gelebt haben, kommen zusammen. Selbst die Toten erwachen und steigen aus ihren Gräbern. Denn vier Engel blasen laut in ihre Posaunen und wecken damit die Toten auf. Das Ende der Welt ist gekommen. Das jüngste Gericht beginnt.

Diese Bilder sehe ich, wenn ich vor dem Portal des Freiburger Münsters stehe. Eine gewaltige Szene: Links schaue ich auf die guten Menschen, die sich gegenseitig dabei helfen, aus den Gräbern zu steigern. Rechts quälen sich die bösen Menschen damit ab, die Deckel von ihren Särgen auf zu stemmen. Engel geben Acht und beschützen die Guten. Ein Teufelchen ist richtig enttäuscht, weil so viele gerettet werden. Doch hinter ihm ziehen andere Teufel die bösen Menschen an Ketten in die Hölle.

Wenn ich das alles so sehe, möchte ich fast lächeln. Die Fantasie der Menschen im Mittelalter scheint groß gewesen zu sein. Aber: Was wäre, wenn ich das jüngste Gericht ernst  nähme? Was steckt noch dahinter?

Heute glauben viele: Nach dem Tod kommt nichts mehr. Egal wie ich gelebt habe. Vorbei ist vorbei. Das bedeutet dann aber auch, dass viele Täter niemals belangt werden. Da stirbt zum Beispiel der Kriegsverbrecher auf einem weichen Kissen, gegen den nie Anklage erhoben wurde. Oder die Betrügerin scheidet in großem Reichtum aus dem Leben. Denn sind wir mal ehrlich: Im richtigen Leben kommen viele mit ihren Verbrechen durch. Das Leben ist keine Krimiserie, in der die Polizei jeden Bösewicht schnappt. Vergewaltigung, Mord und Betrug kommen oft nie vor Gericht. Zurück bleiben die Opfer, an die niemand mehr denkt.

Das wollten die Menschen früher nicht akzeptieren: Nein, so darf die Geschichte nicht enden. Nein, das wird Gott nicht zulassen. Für sie war klar, wir brauchen ein Gericht am Ende der Zeit. Das ist uns wichtig. Das sollen alle sehen, die in Freiburg am Münster vorbeilaufen

Und sie sollen auch sehen: Beim jüngsten Gericht zählt es nichts mehr, ob sie in ihrem Leben König, Staatsanwältin oder Bischof gewesen sind.  Am Ende siegt die Gerechtigkeit: Jesus selbst ist der Richter, alle bekommen einen fairen Prozess.

Bei den finsteren Bildern mit Teufeln und Höllenfeuer kommen mir so meine Zweifel. So stelle ich mir das Ende der Zeit nicht vor. Wahrscheinlich ist es auch nicht möglich, sich ein Bild davon zu machen, wie Gottes Pläne aussehen. Aber der Gedanke, dass ich im Leben nicht einfach machen kann, was ich will, den finde ich wichtig. Deshalb hoffe ich auf einen Gott, der auf der Seite der Opfer steht und ihnen ihr Recht verschafft.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37173
weiterlesen...