Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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22FEB2023
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Viele Jahre haben die Nonnen im Carmel de la Paix am Aschermittwoch ein echtes Feuer in ihrer Kirche gemacht. Damit sie und alle Gäste sehen, riechen und hören konnten, dass das Leben vergänglich ist. Von einem großen Strauß trockener Palmzweige aus dem vergangenen Jahr blieb innerhalb weniger Minuten nichts als ein Häufchen Asche. Der Carmel de la Paix ist ein Kloster im Burgund. Ich fahre regelmäßig dahin. Der Brandschutz hat die Nonnen gezwungen ihr Ritual zu Beginn der Fastenzeit zu verändern. Die Texte aus der Bibel zur Fastenzeit haben sie auf eine neue Idee gebracht. Im Matthäusevangelium steht: „Wer fastet, soll kein finsteres Gesicht machen und sein Haar mit duftendem Öl salben.“ Deshalb gibt es am Aschermittwoch in der Kirche der Carmelitinnen jetzt eine Schale mit duftendem Öl. Rosenblätter schwimmen darin. Die Schwestern gehen zu Beginn des Gottesdienstes mit dem duftenden Öl zu jedem, der mitfeiert. Vor neun Jahren habe ich das zum ersten Mal erlebt. Schwester Juliane ist vor mir gestanden, hat mich angeschaut und mir meine Stirn sanft mit dem duftenden Öl gesalbt. In der Bibel ist die Salbung ein Zeichen für die Würde des Menschen. Sie bedeutet: Du bist wertvoll in den Augen Gottes und er will dich auf deinem Weg stärken. Für mich war es ein Moment, den ich erinnere als wäre er gestern gewesen. Mir liefen die Tränen. So tief berührt hat mich diese Zusage nie zuvor: Ich bin wertvoll. So wie ich bin. Es war nur ein kurzer Moment. Er wirkt bis heute.

Mit dem duftenden Öl im Carmel de la Paix habe ich die Fastenzeit neu verstanden. Zu Beginn der 40 Tage darf ich gnädig auf mich schauen. Weil ich wertvoll bin. So wie ich bin. In der katholischen Kirche wird am Aschermittwoch im Gottesdienst den Gläubigen mit Asche ein Kreuz auf die Stirn oder in die Hand gezeichnet. Das ist auch im Carmel so und bedeutet: Mein Leben ist endlich. Ich habe nicht unendlich Zeit, das zu tun, was mir wirklich wichtig ist. Duftendes Öl und Asche. Das ist meine Kurzformel, mit der ich jeden der kommenden 40 Tage beginne. Kostbar und endlich ist das Leben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37140
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