Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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15FEB2023
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Text eingesprochen von Janine Knoop-Bauer 

„Ich wünsche Dir viele Krisen, die du überwindest.“ Diesen Satz hat mein Vater meinem Sohn mit auf den Weg gegeben, an seiner Konfirmation. Da hat er eine Rede gehalten, die in diesem Satz gipfelte: „Ich wünsche Dir viele Krisen, die du überwindest.“

Ich habe das damals, ehrlich gesagt, ziemlich blöd gefunden. - Wie kann man einem Jugendlichen, der eh nur noch im altersbedingten Krisenmodus anzu-treffen ist, so einen Satz mit auf den Weg geben?! Man wünscht seinem Enkelkind doch gefälligst schöne Dinge, und keine Krisen!

Ich habe lange gebraucht, um die Weisheit hinter seinen Worten zu entdecken. Denn die schönen Wünsche, so verständlich sie auch sind, taugen nicht:
Der Wunsch verschont zu bleiben, taugt nicht. (Vgl. Hilde Domin: Bitte
Der Wunsch nach einem Leben ohne Tränen und ohne Schmerz, taugt nicht.
So wenig, wie der Wunsch nach ewiger Blüte und Jugend.

Warum eigentlich nicht?
Weil gerade die Vergänglichkeit die Blüte und Jugend zu etwas besonderem machen. Ich weiß noch, wie ich früher immer traurig gewesen bin, wenn der Frühling vorüber war - und mit ihm die Fülle und Blütenpracht und all die bunten Farben. Ich hätte sie gerne festhalten. Und habe lernen müssen:
Das Besondere daran ist ja gerade, dass sie nicht immer da sind.

Und ich musste lernen, dass es zwar angenehm ist, wenn man weitgehend verschont bleibt von schmerzvollen Erfahrungen. Aber reifen tun wir daran nicht; und wir sind schlecht vorbereitet, wenn es wirklich schwierig wird.

Ich musste lernen: Es gibt kein Anrecht auf ein grenzenlos unbeschwertes, erfolgreiches, gesundes und glückliches Leben. Und ein Glaube, der sich nur am Wohlergehen misst, trägt nicht, taugt nicht und bringt uns nicht weiter.

Was taugt ist Vertrauen. Auch in Krisenzeiten. Darauf vertrauen, dass es einen neuen Anfang geben wird. Dass sich wieder eine Tür auftun wird. Dass nichts bleibt, wie es ist. Dass alles Verwandlung ist, auch die Not und das Leid. Und dass wir auch im Sterben und Vergehen bewahrt sind. Das taugt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37081
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