SWR2 Wort zum Tag

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09FEB2023
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Wie viele Menschen bete auch ich gern den 23. Psalm:
„Der Herr ist mein Hirte: Mir wird nichts mangeln:
Grüne Auen und frisches Wasser, Schutz in finstern Tälern.
Aber mittendrin taucht eine Zeile auf, die mich beim Beten schon oft gestört hat.
„Gott, du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde!“

Nachdem der Betende all das vor Gott ausgepackt hat, was ihn mit Freude erfüllt, und was ihn durch alle Untiefen des Lebens trägt, taucht plötzlich dieses Bild auf:
Gottes gedeckter Tisch – und mir gegenüber Feinde. Vis à vis, face to face, in ihrer Gegenwart essen und trinken. Etwa zum Trotz? Was soll dieses Bild eigentlich? Gewiss: Es gibt Menschen, die einem nichts Gutes wollen. Die kann es in der Familie, in der Nachbarschaft oder bei der Arbeit geben.

Eben in dieser Welt – in der ich nicht nur Frieden und Liebe und Ermutigung erfahre, sondern auch Neid und Missgunst. Und zugleich ist diese wunderbare Erfahrung möglich: ein gedeckter Tisch. Und noch mehr: Beschenkt mit Essen und Trinken und Anerkennung von Gott - Fülle des Lebens!
So heißt es nämlich in dem Gebet weiter: „Du salbst mein Haupt mit Öl - und schenkst mir voll ein.“

Ich denke inzwischen, das soll mir sagen: Gottes Güte widerfährt mir schon in einer noch nicht erlösten Welt, in einer Welt, in der es Neid und Betrug und Feindschaft gibt. Das alles können wir nicht aus der Welt schaffen. Es gibt Feinde, Menschen, die mir Böses wollen, die mich bedrängen. Sie sind einfach da - aus welchen Gründen auch immer.

Manchmal kann ich es nachvollziehen – manchmal auch gar nicht. Es liegt an mir, dass ich mich nicht in diese Feind-Vorstellung verbeiße. Ich kann mit und neben ihnen leben – zugleich von Gott versorgt – behütet und gesegnet.
Jesus wusste das auch. Er hat aus jüdischer Weisheit geschöpft – aus dem Buch der Sprüche (Spr 20,22; 24,17; 25,21) als er dazu aufgerufen hat: „Liebet eure Feinde!“

Auch die Liebe schafft Feinde nicht zwingend aus der Welt. Sie bleiben da. Doch die Liebe kann helfen, meine Ängste vor ihnen abzubauen. Gerade wenn ich darauf vertraue: „DU bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.“ Kann sein, solches Vertrauen hilft mir auch dabei, Türen zu öffnen. Kann sein, ich kann so verfeindete Menschen in ihrer Ablehnung gegen mich irritieren.

Und vielleicht ist ja sogar noch ein Platz an meinem Tisch frei. Ich lade ein - und sie setzen sich dazu. Könnte ja vorkommen. Manchmal bewegt sich da was – zum Frieden.

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