Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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31DEZ2022
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„Unser Leben sei ein Fest.“ Dieser Refrain eines Kirchenliedes bleibt mir am Jahresende doch im Hals stecken. Dieses Jahr mit Krieg, Katastrophen und Krankheiten war alles andere als eine Party. Viele erlebten Not, in den Kriegsgebieten auch pures Elend. Als unser Finanzminister in großem Stil heiratete, fühlten viele: So eine pompöse Feier passt nicht in unsere Zeit. Vielleicht können wir eine Zeit lang gar nicht mehr unbefangen feiern. Auch nicht an Silvester.

Dagegen dieses Kirchenlied: Unser Leben sei ein Fest. Beim zweiten Lesen fällt mir auf: Hier steht nicht „Unser Leben ist ein Fest“, sondern „sei ein Fest“. Die Realität wird nicht geleugnet, das Lied drückt vielmehr eine Hoffnung aus: Unser Leben soll ein Fest werden. Diese Aufforderung stößt mich auf das, was es im vergangenen Jahr auch Gutes gab, im Großen wie im Kleinen. Es gab mehr als Katastrophen und Unglück. So war 2022 nicht nur ein Kriegsjahr, sondern in diesem Jahr haben die Deutschen so viel gespendet wie nie zuvor. Viele Menschen waren in der Not äußerst hilfsbereit und engagiert. Hoffnung können auch private Erfahrungen machen. Meiner Frau und mir wurden zum Beispiel weitere Enkelkinder geschenkt. Für all das bin ich dankbar, und das sind Gründe zum Feiern. Doch die Botschaft „Euer Leben sei ein Fest“, dieser Satz stünde nicht in einem Kirchenlied, wenn es nur um positive Erfahrungen oder privates Glück ginge. Das wäre nicht genug für Menschen in Not, die einen Angehörigen betrauern oder nicht mehr weiterwissen. Deshalb fährt das Lied fort: Unser Leben sei ein Fest, denn Jesu Kraft ist der Grund unserer Hoffnung. Klingt wie ein billiges Schlagwort, ist aber für mich ein Schlüsselwort: Jesu Kraft, die ist für mich spürbar, gerade wenn es schwierig wird. Seine Kraft lässt mich nicht an den Kriegsnachrichten verzweifeln, sondern spornt mich an, für Frieden einzutreten. Sie hilft mir auszuhalten, wenn ich niedergeschlagen bin, und richtet meinen Blick wieder auf, wenn ich meinen Kopf hängen lassen will. Auch dafür bin ich dankbar, und es macht mir Hoffnung. Und Dankbarkeit und Hoffnung sind für mich Gründe zum Feiern. Deshalb wird auch dieses Jahr Silvester aus meinem Leben ein Fest machen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=36733
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