SWR2 Wort zum Tag

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15DEZ2022
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Es ist eine eigentümliche menschliche Erfahrung, dass gute Worte mitten in katastrophalen Zuständen, in dunkelsten Zeiten, das Leben hell machen können, gerade auch indem sie geteilt werden. Mitten im Dunkel kann es licht werden. So können Menschen, auch und obwohl sie leiden, erfüllt werden vom Licht Gottes.

Ein solches Wort wird vom Propheten Jeremia überliefert: „Siehe es kommt die Zeit, dass ich einen gerechten Spross erwecken will“. Ein Bibelwort, das Christen seit Jahrhunderten in die Adventszeit eingeordnet haben. Von Gerechtigkeit war wenig zu sehen, als der Prophet Jeremia diese Worte verkündet hat. Er hat es mitten in einer der dunkelsten Epochen der Geschichte Israels verkündet. Um ihn herum hat Chaos und Korruption geherrscht, das typische Endzeitszenario eines untergehenden Reiches. Es klingt so erschreckend aktuell. Die herrschenden Reichen und Mächtigen prassen und feiern den Tanz auf dem Vulkan, einen perversen Totentanz, denn die Armen und Schutzlosen wurden übervorteilt und unterdrückt. Und vor der Tür stehen die Truppen der damaligen Weltmacht, die bald diesem ganzen Geschehen ein Ende bereiten sollten. In den Wirren dieser Zerstörung hat dann wahrscheinlich auch der Prophet den Tod gefunden. Anschläge auf sein Leben haben seine Verkündigung begleitet, nach der er sich wahrlich nicht gedrängt hatte. Die Kämpfer für Recht und Gerechtigkeit leben gefährlich. Auch das ist so aktuell! Und dann dieses Wort: Siehe, es kommt die Zeit, dass ich einen gerechten Spross erwecken will.

Ich glaube, Jeremia hat geahnt, dass er nicht lebend aus der Katastrophe hervorgehen würde. Er hat gewusst, dass er das Erwachsen dieses Sprosses nicht erleben würde. Dennoch muss er sich auch glücklich und hoffnungsfroh gefühlt haben, als er diese wunderbaren Worte prophezeien durfte: Es kommt die Zeit der Gerechtigkeit. Indem er einen gerechten Spross verkündigt hat, war dieser schon ein Stück weit Realität geworden, dem Unrecht war die Axt an die Wurzel gelegt. Und diese Hoffnung hat sich weitergetragen.

Jeremias Worte sind deshalb nicht untergegangen in der Katastrophe, haben die Menschen getröstet und sind weiter und weitererzählt worden. Sieh hin. Die Gerechtigkeit treibt einen Spross. Das Unrecht hat nicht das letzte Wort. Solange sich die Botschaft von der Gerechtigkeit weiterträgt, wird sie eines Tages auch Wahrheit werden.

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