SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

15NOV2022
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Vor ein paar Wochen habe ich mich furchtbar über eine Kollegin geärgert. Sie hat mir einen Termin reingedrückt, der mir echt gar nicht passte. Und dass, obwohl ich sie vorher gebeten hatte, doch genau diesen Zeitraum auszusparen. Weil ich genau wusste, dass es da eh schon stressig wird.

Ich war also richtig sauer. Wie kann man so ignorant anderen gegenüber sein? Das ist doch echt daneben. Meine Stimmung war mies. Nachts, wenn ich wach lag, habe ich in Gedanken saftige e-mails an die Kollegin formuliert. Ich habe mir überlegt, dass ich sie ja auch einfach hängen lassen könnte, einfach nicht hingehen. Meine Gedanken wurden immer grummeliger, eine Spirale, die deutlich abwärts ging.

Aber dann bin ich über eine Geschichte gestolpert. Sie heißt „Der Mann mit dem Hammer“: Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den Hammer. Also beschließt unser Mann, hinüberzugehen und den Hammer beim Nachbarn auszuborgen. Doch da kommt ihm ein Zweifel: „Was, wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen will? Gestern schon grüßte er mich nur so flüchtig. Vielleicht war er in Eile. Vielleicht hat er die Eile aber nur vorgetäuscht und er hat was gegen mich. Und was? Ich habe ihm nichts getan. Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm sofort. Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen abschlagen? Und dann bildet er sich noch ein, ich sei auf ihn angewiesen. Leute wie dieser Kerl vergiften einem Leben. Jetzt reicht’s mir wirklich!“ – Und so stürmt der Mann rüber, läutet, der Nachbar öffnet, doch bevor er „Guten Tag!“ sagen kann, schreit ihn unser Mann an: „Behalten Sie Ihren Hammer!“

Noch so eine Abwärtsspirale. Denn der Nachbar hat ja gar nichts getan. Der Mann, der das Bild aufhängen wollte, frisst sich immer tiefer in seine Sorgen und sein Misstrauen hinein. Von Argwohn und Vorbehalten getrieben, spielt sich in seinem Kopf etwas ab, was gar nicht da ist. Was aber trotzdem die Stimmung mies werden lässt. Ich glaube nicht, dass der Nachbar unserem Mann in Zukunft freundlich begegnen wird, wenn der ihn einfach so anblafft.

„Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.“, hat Jesus mal gesagt. Und ich habe beschlossen, die Beziehung zu meiner Kollegin von dieser dummen Terminsache nicht vergiften zu lassen und dieses gehässige Kopfkino abzustellen. Warum das Schlimmste annehmen? Vielleicht hat sie einfach nur meine Bitte um einen anderen Zeitpunkt vergessen. Irren ist menschlich. Und, ehrlich, damit hat sich auch meine Stimmung wieder deutlich gebessert.

Und wissen Sie, was sich dann rausgestellt hat: Ich hatte den Termin falsch in meinen Kalender eingetragen. Die Kollegin war völlig unschuldig, ganz und gar. Gott, war mir das peinlich! Insofern: Irren ist menschlich. Und ich bin ein Mensch. Und andere sind es auch.

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