Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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25OKT2022
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Um uns und unsere Probleme kümmert sich niemand! Das höre und lese ich diesen Herbst immer wieder, egal ob in Gesprächen oder Facebook-Kommentaren. Dass sich manche alleingelassen fühlen mit steigenden Heizkosten, den hohen Lebensmittelpreisen und der Frage, wie sie das alles zahlen sollen, das kann ich verstehen.

Was mir aber Sorgen macht: Manche beschweren sich dann, dass Geflüchtete aus der Ukraine oder andere Asylsuchende Hilfe vom Staat bekommen. Um die, sagen sie, kümmert man sich, und wir haben das Nachsehen. Ich glaube, solche Vergleiche helfen niemandem.

Es geht ja darum, sich um die zu kümmern, die dringend Hilfe brauchen. So wie in einer Geschichte aus der Bibel, die Jesus einmal erzählt hat. Sie klingt harmlos, aber sie hat es in sich:

Jesus erzählt von einem Menschen, der hundert Schafe hat. Eins davon geht verloren. Deshalb lässt er die 99 anderen Schafe stehen, um das eine zu finden. Und freut sich dann sehr, als er es wieder hat.

Man kann schon fragen: Ist das gut – die Herde so zu vernachlässigen, um einem einzigen Schaf zu helfen? Das hätte böse ausgehen können. Jesus wollte mit seiner provokanten Geschichte klar machen: Wenn jemand in akuter Not ist, braucht er Hilfe. Und zwar unabhängig davon, wie er oder sie in diese Lage gekommen ist – das wird in der Geschichte nämlich gar nicht thematisiert.

Wenn also jemand vor dem Nichts steht, dann braucht er ein Dach über dem Kopf und was zu essen, und auch genügend Geld für eine warme Winterjacke und Schulsachen für die Kinder. Egal, ob er aus einem anderen Land kommt oder schon immer in Deutschland lebt. Natürlich kann und soll man deshalb nicht alle anderen dauerhaft mit ihren Sorgen alleinlassen. Ich finde es wichtig, dass die Politik auch die entlastet, die langfristig ein Problem haben. Aber zuerst geht es um die dringendste Not. Und ich bin sicher: Viele von uns kommen auch so noch ganz gut klar. Manche können sogar andere unterstützen – und tun das auch. Sogar über den Familien- und Freundeskreis hinaus.

Vielleicht, habe ich gemerkt, ist das überhaupt die wichtigste Botschaft, die Jesus mit der Geschichte von den hundert Schafen hat: Niemand von uns ist immer nur auf der einen Seite. Jeder und jede ist im Leben oft bei den 99 Schafen und kommt ganz gut allein zurecht. Und jeder und jede kommt irgendwann in die Situation, das eine Schaf zu sein. Gerät in eine ausweglose Lage – materiell, gesundheitlich oder auch psychisch. Und braucht dringend Hilfe. Genau jetzt. Wie gut, wenn dann die Unterstützung da ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=36413
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