SWR2 Lied zum Sonntag

SWR2 Lied zum Sonntag

09OKT2022
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Musik 1 – instrumental: Improvisation über “Solang es Menschen gibt auf Erden” (Ausschnitt),

Jörg Josef Schwab, Klavier

 

Ein junger Mann, 25 Jahre alt, ist unterwegs auf dem Fahrrad, in Holland, an einem Sonntagnachmittag im Spätherbst. Der Radler heißt Huub Oosterhuis. Er leitet in Groningen ein Internat und schreibt an seiner Doktorarbeit im Fach Niederländische Literatur. Während er von Winsum nach Groningen radelt, im Jahr 1958, denkt er nach. Und er dichtet ein Lied, sein allererstes. Es heißt „Solang es Menschen gibt auf Erden“. Gleich am selben Abend singen die Studierenden es im Gottesdienst, und heute ist es unser „Lied zum Sonntag“.

 

Musik 2 – Chor: Strophen 1 und 2 mit CoroPiccolo – Strophe 1 davor Rezitation

 

Solang es Menschen gibt auf Erden,

solang die Erde Früchte trägt,

solang bist du uns allen Vater,

wir danken dir für das, was lebt.

 

Solang die Menschen Worte sprechen,

solang dein Wort zum Frieden ruft,

solang hast du uns nicht verlassen.

In Jesu Namen danken wir.

 

Auf dem Fahrrad kommt Huub Oosterhuis ein Vers aus der Bibel in den Sinn. In der berühmten Bergpredigt fordert Jesus seine Jüngerinnen und Jünger zum Vertrauen auf: „Seht die Vögel unter dem Himmel an: Sie säen nicht, sie ernten nicht, und euer himmlischer Vater ernährt sie doch.“ Diese Zusage passt zu dem, was Oosterhuis an jenem Sonntagnachmittag in der Natur erlebt. Bibel und Natur inspirieren ihn zur dritten Liedstrophe:

 

Musik 3 – instrumental: Improvisation Jörg Josef Schwab und Wort (Strophe 3)

 

Du nährst die Vögel in den Bäumen.

Du schmückst die Blumen auf dem Feld.

Du machst ein Ende meinen Sorgen,

hast alle Tage schon bedacht.

 

Mit etwas Phantasie stelle ich mir vor, dass Huub Oosterhuis, dem wir inzwischen ja viele Lieder verdanken, damals auch an einem Friedhof vorbeigeradelt ist. Um Tod und Leben, um Vergänglichkeit und Hoffnung geht es nämlich in der vierten Strophe:

 

Musik 4 – instrumental: Improvisation Jörg Josef Schwab und Wort (Strophe 4)

 

Du bist das Licht, schenkst uns das Leben,

du holst die Welt aus ihrem Tod,

gibst deinen Sohn in unsre Hände,

er ist das Brot, das uns vereint.

 

Der niederländische Theologe Huub Oosterhuis hat später erzählt, dass er auf seiner Radtour von Winsum nach Groningen mit heftigem Gegenwind zu kämpfen hatte. Dafür ist Holland ja bekannt. Es gibt dort sogar Meisterschaften im „Gegenwindradfahren“. Da würde ich mich kaum anmelden, weil mich der Gegenwind immer ordentlich Kraft kostet, etwa auf den 13 Kilometern von zu Hause bis zum Büro.

Manchmal wird mir der Gegenwind aber auch zum Ansporn, und ich denke trotzig: Jetzt erst recht! Beides gehört zu meinem Leben und zum Glauben: Rückenwind und Gegenwind. Die Hauptsache ist, dass mich der Rückenwind nicht zu leichtfertig werden lässt, und dass der Gegenwind mich nicht entmutigt. Die letzte Liedstrophe nennt denjenigen, der mich liebevoll begleitet und mir Mut macht, wie ein Vater: „Du, Vater, bist in unsrer Mitte, machst deinem Wesen uns verwandt“. Das schöne Bild, dass Gott und die Menschen miteinander „verwandt“ sind, das stärkt mein Vertrauen und gibt meinem Leben Rückenwind.

 

Musik 5 – Chor:                      Strophe 5 mit CoroPiccolo

 

Darum muss jeder zu dir rufen,

den deine Liebe leben lässt.

Du, Vater, bist in unsrer Mitte,

machst deinem Wesen uns verwandt.

 

 

Quellen:

Musik 1,3,4 – Improvisationen von Jörg Josef Schwab, Klavier, über das Lied „Solang es Menschen gibt auf Erden“; Begleit-CD (Track 7 und 8) zum Buch von Meinrad Walter: „Geh aus, mein Herz. Lieder der Schöpfung“. Verlag am Eschbach 2021. ISBN 978-3-86917-842-4 (der Verlag hat keinen Label-Code).

Musik 2,5 – Chorsatz zum Lied: SWR-Archiv M0472059. Eigenproduktion des SWR mit dem CoroPiccolo.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=36335
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