Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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14OKT2022
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„Ubuntutu!“. Das ist ein Wort, das ich von einigen afrikanischen Geschwistern während des Weltkirchenrats in Karlsruhe Anfang September häufig gehört habe.

Das Wort kommt aus den Bantusprachen der Zulu und der Xhosa in Südafrika. Es bedeutet  „Menschlichkeit“, „Nächstenliebe“ und „Gemeinsinn“. Es beschreibt außerdem die Erfahrung und das Bewusstsein, dass man selbst Teil eines Ganzen ist und nicht für sich alleine steht.

Ich habe mich sofort daran erinnert, wann ich das Wort zum ersten Mal gehört habe. Es war 1996 in Kapstadt in Südafrika. Damals habe ich ein Auslandspraktikum am Anglikanischen Bischofssitz in Kapstadt gemacht. Ich habe in der Zeit an einigen Feierlichkeiten zur Verabschiedung des damaligen Erzbischofs Desmond Tutu teilgenommen. Dabei habe ich bewegende Gottesdienste und Empfänge erlebt, die ihm zu Ehren gefeiert wurden.

Bedeutsam war für mich aber etwas anderes: Desmond Tutu hat trotz aller Feierlichkeiten jeden Morgen um 8 Uhr eine Andacht in der Kapelle des Bischofssitzes gehalten. Alle, von der Reinigungskraft bis zum theologischen Personal, haben daran teilgenommen. Nach der Andacht gab es Tee und Zeit zum Reden. Jeder und jede konnte sagen, wie es gerade ging und was wichtig war für den Tag. Auch ich habe mich daran beteiligt und Desmond Tutu hat mir genauso aufmerksam zugehört wie allen anderen auch.
„Ubuntutu!“, hat mir meine Mentorin später erklärt. „Der ganze Bischofshof ist eine eingeschworene Gemeinschaft. Egal, welche Position und Aufgabe man hat. Alle ziehen an einem Strang. Sonst funktioniert es nicht.“

Desmond Tutu hat aber nicht nur am Bischofshof nach diesem Prinzip gelebt.

Gemeinsam mit Nelson Mandela ist er zum Symbol und Sprachrohr gegen Rassismus und Menschenhass in Südafrika geworden. Sie konnten das, weil sie sich als Teil einer großen Gemeinschaft gesehen haben. Ubuntutu. Sie waren davon überzeugt, dass Menschen nur dann friedlich und in Würde leben können, wenn alle Mitglieder respektvoll und gleichberechtigt behandelt werden. Und ich denke:
Das Prinzip von Ubuntutu brauchen wir überall auf der Welt – heute mehr denn je.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=36292
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