SWR2 Wort zum Tag

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27AUG2022
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Was ist gerade in meinem Leben dran? Manchmal ist das gar nicht leicht zu erkennen. „Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde“ heißt es in der Bibel im Buch des Predigers. Direkt im Anschluss wird dann die ganze Fülle des Lebens entfaltet: Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit, weinen und lachen, klagen und tanzen, suchen und finden, schweigen und reden. Doch: Wann ist denn nun die Zeit, um zu suchen, und wann ist Finden angesagt? Ich glaube, dass es tatsächlich wichtig ist, dem richtigen „Timing“ im Leben auf die Spur zu kommen. Es gibt ja dieses gute Gefühl, das sich dann einstellt, wenn man den richtigen Zeitpunkt erkannt hat. Dann stimmt es, dann fließt die Energie. Und umgekehrt: Dass man sich abmüht und es will einfach nicht funktionieren. „Man mühe sich ab wie man will, so hat man keinen Gewinn davon“ heißt es wenige Verse weiter im biblischen Buch. Wenn es im Leben nicht richtig voran geht liegt das manchmal wirklich daran, dass es mit dem richtigen Timing nicht geklappt hat.

Meiner Erfahrung nach hilft es dann wenig, sich zu verbeißen und – wie es so schön in der deutschen Sprache heißt – auf Teufel komm raus weiterzumachen. Dann kommt nämlich meistens nichts Himmlisches heraus. Statt zu klagen könnte Tanzen eine gute Möglichkeit sein! Warum nicht eine Unterbrechung am Schreibtisch einlegen und es halten wie meine kleine Enkelin? Die tanzt ganz unbefangen zu jeder Musik, die im Radio erklingt und wiegt ihren kleinen Körper schwungvoll im Takt. Bei mir sieht das zwar nicht so elegant aus, aber es sieht ja keiner zu, wenn ich zu „I can´t get no satisfaction“ durch die Wohnung steppe. Und überhaupt: Bei Mick Jagger finden es alle toll, dass der mit knapp 80 Jahren noch über die Bühne rockt, dann kann ich das auch! Nach so einer musikalischen Unterbrechung spüre ich, was gerade geht und was ich besser lassen sollte.

Manchmal braucht es dann aber eine längere Unterbrechung, damit ich herausfinde, was gerade für mich an der Zeit ist. Dann reicht ein Song der Rolling Stones nicht aus. Dann ist nicht Tanzen, sondern Schweigen angesagt. Jedes Jahr zum Sommerausklang ziehe ich mich daher für zehn Tage in Schweigeexerzitien zurück. Und ich bin manchmal ziemlich überrascht, wie sich in der schweigenden Zeit die Dinge sortieren, so dass ich schließlich das Gefühl habe: Gerade so stimmt es, so ist es richtig. „Er hat alles schön gemacht zu seiner Zeit“ heißt es im Buch des Predigers. Das ist dann auch meine Empfindung. Wenn ich weiß, in welche stimmige Richtung es gehen sollte, kann ich meine Arbeit mit Schwung angehen. Oder, wie es neudeutsch heißt: das Leben rocken.

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