SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

12JUL2022
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

In Bremen sagt man zur Begrüßung „Moin“. Ich bin dort geboren und weiß: „Es heißt nicht „Hallo“ und auch nicht „Moin, Moin“. „Moin, Moin“ ist schon Gesabbel, sagen die Bremer, also: zu viel gesagt. Und zu viel zu sagen ist dort sehr verpönt.

Weil ich das von zuhause so gewohnt bin, grüße ich auch hier in Süddeutschland immer mal wieder mit „Moin“. Die Menschen erkennen mich dann meist als Norddeutschen und wissen ungefähr, was gemeint ist. Und insgesamt komme ich damit gut durch den Tag.

Aber neulich war ich wieder im Norden. Auf einmal sahen mich die Leute nach meinem Moin-Gruß so merkwürdig an, und nach einer Weile wusste ich auch, warum. Ich benutzte zwar das norddeutsche Wort „Moin“. Aber ich habe es auf süddeutsche Weise gesagt. Ich habe viel zu schnell gesprochen. Zu aktivistisch, mit zu viel Tatendrang. Die Norddeutschen sagen das ganz tiefenentspannt. So, dass der Wind und die Weite der Landschaft in dem Wort Platz haben. Ich sage: „Moin“, und die Norddeutschen sagen: „Moooin.“   

Ich denke mir: Wie interessant! Was jemand sagt, sagt noch nicht viel darüber aus, zu welcher Menschengruppe er gehört. Innerlich. Da sagt einer „Moin“, aber innerlich ist er vielleicht gar kein Norddeutscher mehr. Oder jemand sagt „Salam aleikum“. Aber innerlich gehört er gar nicht mehr zu den Arabern. Oder er sagt „Grüß Gott“, aber er ist kein Bayer mehr. Zumindest nicht ausschließlich, nicht so, dass er sich selbst ganz und gar dadurch definiert. Wir sind innerlich vielfältiger, als es unsere Worte zum Ausdruck bringen. In mir leben gleichermaßen meine Bremer Herkunft, die Jahre im Ausland und meine süddeutsche Gegenwart. Alle prägen mich in eigener Weise. Wenn mich in Zukunft jemand begrüßt, will ich seinen ersten Worten weniger Gewicht geben. Ich will stärker entdecken, welche verschiedenen Einflüsse ihn prägen.

Und dann denke ich mir noch: Nichts gegen die Tatkraft von Süddeutschland – aber manchmal vermisse ich die Gelassenheit des Nordens. Den Wind und die Weite. Das, was im „Mooooin“ zwischen all den o-s zum Ausdruck kommt. Und ich überlege mir, was mir auch fern der Heimat ein dieses Gefühl von Gelassenheit und von Weite geben kann. Mir fällt ein Psalmvers ein: „Du stellst meine Füße auf weiten Raum.“ Ja, so will ich den Tag heute angehen: In der Gewissheit, dass Gott mir Weite schenkt. Und den nächsten Menschen, den ich treffe, werde ich in Ruhe grüßen: mit einem ganz gelassenen „Moooin“.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35739
weiterlesen...