SWR3 Gedanken

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07JUL2022
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Ich bin blind. Und zwar für Rassismus. Ich kann ihn kaum sehen, aber ich weiß, es gibt Rassismus um mich herum. Das ich ihn schlecht sehe, hat mit meiner Herkunft zu tun, und dass ich weiß bin.

Ich werde nie einfach so von der Polizei kontrolliert. Ich habe keine allzu großen Probleme eine neue Wohnung zu finden und wenn mir Glatzköpfe mit Springerstiefeln in der Bahn gegenübersitzen, dann fühle ich mich zwar unwohl, aber ich muss erstmal nicht befürchten, dass sie mich ohne Grund dumm anmachen. Ich kriege das also nicht mit, was anderen Leuten immer wieder passiert im Job, in der Bahn, auf dem Fußballplatz. Nämlich, dass sie eine volle Ladung Rassismus abbekommen.

Unter dem Hashtag #wasihrnichtseht haben Menschen aus Deutschland über 400 Geschichten gesammelt, die von solchen Erfahrungen erzählen. Eine junge Frau berichtet davon, dass sie eine Ausbildung in einem Pflegeberuf macht und manche Menschen nicht von ihr gepflegt werden wollen, weil sie schwarz ist. Jemand anderes erzählt, wie er wegen seiner Herkunft immer wieder die gleichen Fragen gestellt bekommt: „Warum hörst du kein Hip-Hop? Warum kannst du nicht Basketball spielen?“

Ich lese die Geschichten mit dem Hashtag #wasihrnichtseht und überlege: wo sind meine blinden Flecken? Wo stecke ich Menschen in Schubladen, weil sie so oder so aussehen?

Und die Geschichten helfen mir hoffentlich schneller zu schalten und den Mund aufzumachen. Denn in solchen Situationen gibt es nur eins zu sagen: „Stopp, was hier grade läuft, ist rassistisch. Und Rassismus akzeptiere ich nicht! Punkt.“

https://www.jetzt.de/politik/was-ihr-nicht-seht-projekt-sammelt-rassismuserfahrungen

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35706
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