SWR1 Begegnungen

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19JUN2022
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David Bošnjak und Sabine WInkler

Mein Gesprächspartner ist der Deutsch-Rapper David Bošnjak, auch besser unter dem Namen HAZE bekannt. HAZE bekennt sich als Kroate, und das, obwohl er in Deutschland geboren und aufgewachsen ist. Man merkt das auch daran, wie er spricht, da ist ein gewisser kroatischer Zungenschlag nicht zu leugnen, gepaart mit badischen Einflüssen.
Das Deutsche und Kroatische in ihm findet auch immer wieder rein in seine Songs. Für mich klingt das nach zwei Heimaten in einer Seele. Und tatsächlich ist das etwas, das David sehr beschäftigt: Heimat und Identität.

Meine Eltern haben sehr viel Wert daraufgelegt, dass wir oft in die Heimat gefahren sind. Und dass wir die Sprache beherrschen, dass das unsere Muttersprache ist, dass wir zu Hause nur Kroatisch sprechen. Als zweite und dritte Generation ist es halt immer schwieriger. Ich bin heut auch Vater von zwei Kindern und ich merke, wie schwer das ist, den Kindern klarzumachen, was Muttersprache ist, weil sie halt in Deutschland geboren und aufgewachsen.

David Bošnjak hat sich als HAZE in der deutschen Rap-Szene einen Namen gemacht. Seine Songs weisen zum Teil 7-stellige Klickzahlen auf. Sein Still ist geprägt vom amerikanischen Rapper Eminem und eher „alte Schule“, verknüpft mit kroatischen Einflüssen.
Bošnjak ist ein Vollblut-Musiker, spielt Gitarre und produziert viele seiner Sounds selbst. In der Familie wurde ihm da viel mitgegeben, Vater und Tante sind ebenfalls Musiker. Thematisch greift er auf, was ihn beschäftigt und versucht es dann von allen Seiten zu beleuchten. Dabei wird er nicht selten tiefgründig. So auch in dem Song „Alpha und Omega“:

Es geht da um, ganz plump gesagt, um Gut und Böse und den Kampf zwischen den beiden auf dieser Welt. Es geht um die Vergangenheit, die einen nicht ruhen lässt und immer wieder zurückzieht und auch... im Endeffekt trotzdem einfach der Glaube, der die Hoffnung verspricht, dass du all die Sünden wieder loswerden kannst, im Prinzip…

Sünde, Reue, Hoffnung, Neuanfang – David buchstabiert es in dieser Single aus, auf seine Art. Dort heißt es beispielsweise:

Auf einmal sagt ne Stimme mir: „Was tust du? Vergebung verlangt nach Buße. In dir schlummert noch viel Gutes und Geduld ist eine Tugend.

Denn es ist noch nicht getan mit all den Sünden deiner Jugend.“  

Man muss halt zwischen den Zeilen lesen. Es ist immer sehr zwiegespalten: Identität, Heimat, Glaube, Gut und Böse (also, es ist echt immer so.) Es gibt einfach immer zwei Seiten der Medaille, und ich versuche auch beide Seiten immer darzustellen.

Nicht jeder Song beschäftigt sich so explizit mit religiösen Themen. Allerdings hat es die Frage „Wie umgehen mit Schuld“ David angetan.

Ich bin der Meinung, dass wir hier auf der Erde schon Buße tun, für das, was wir in der Vergangenheit falsch gemacht haben. Wir müssen hier schon vieles wieder gutmachen, was schiefgelaufen ist, bevor wir überhaupt ins Antlitz Gottes schauen, glaub ich. Weil jeder macht Fehler, aber man muss halt auch mal um Verzeihung bitten, ne? Ohne das gib‘s, keine Veränderung, einfach. Ist auch voll das schwierige Thema eigentlich für Rap-Musik.

David scheut sich nicht von eigenen negativen Erfahrungen in seinen Songs zu berichten. Auch, wenn er für Manches nicht selbst die Schuld trägt. Aber gerade deshalb hat er eine Botschaft:

Man muss lernen, dass Positive im Negativen zu sehen, weil das Negative wird immer um dich herum sein. Nur wenn du dich davon so sehr einnehmen lässt, dass du die ganze Zeit denkst, fuck, jetzt geht’s nicht weiter … Man muss auch wissen, wie man damit umgeht, halt.

David Bošnjak ist Deutsch-Rapper mit kroatischen Wurzeln. Etwas, das ihn sehr geprägt hat. Nicht nur musikalisch, sondern auch thematisch. 
Seine Songs sind keine Gute-Laune-Songs, eher melancholisch und düster. Er thematisiert soziale Ungerechtigkeiten, das, was für ihn Heimat ist und auch, wie er sich identifiziert. Klischée-Rap-Themen wie sexualisierte Frauenbilder und Gewaltverherrlichung sind bei ihm fehl am Platz:

Ich versuche, diese typischen Klischees einfach auf Herz und Nieren zu prüfen lassen und zu gucken. Wo könnte des herkommen? Ich sehe das, glaube ich, viel komplexer als die meisten anderen Rapper oder meine Kollegen, sage ich mal.

Stattdessen berichtet er aus dem eigenen Leben, komplex und tiefsinnig. Außerdem haben ihn seine kroatischen Wurzeln geprägt und dazu zählt auch der katholische Glaube.

Ich glaube, mein Glauben hat sich erst gefestigt, als ich angefangen habe, diese Sachen in Musik zu schreiben. Ich habe auch auf den Weg einfach noch ein paar andere Sachen mitbekommen, die sich mit Glauben so gar nicht vereinbaren lassen. Aber die existieren, und ich kann mir nur Gedanken machen dazu und meinen Beitrag dazu geben.

Und ein Beitrag ist eben auch, dass er seinen Glauben an seine Kinder weitergibt. Vor dem Essen wird zum Beispiel gebetet. Er verrät mir, dass viele seiner Kollegen auch sehr gläubig sind und teilweise sogar fünfmal am Tag beten. Allerdings ist die Rap-Szene hart und nicht einfach.
Eigentlich ist sie ein Ort künstlerischen Ausdruckes. Wer bin ich? Und wie kann ich mich behaupten? Das sind zentrale Fragen, die zu einem wetteifern von Sprayern, Breakdancern, DJs und Rappern führen. In den letzten zwei Jahrzehnten ist allerdings in Deutschland thematisch noch etwas hinzugekommen: Eine Faszination für kriminelle Handlungen und Gewalt.  Und die Musik ist nur die sichtbare Spitze des Eisbergs. Darunter geht es anders zu und man muss sich entscheiden, wie man handeln möchte. Fällt man in den Sumpf oder nicht.

Man achtet schon auf seine unsterbliche Seele in dieser Szene, weil die Szene ist, ein kleiner Bruchteil von etwas… Das ist das, was diese ganze Welt nach außen trägt, in Form von ein paar Liedern und tollen Videos. Was die Jugend wiederum verführt, das auch nachzumachen, ohne den klarzumachen, was Ursprung ist, und was Konsequenzen sind. Und das beißt sich.

Müsste man nicht mehr auf Konsequenzen und derlei hinweisen frage ich.

Normalerweise schon, aber des verkauft sich nicht so gut.

Eine harte Welt, der Bošnjak da angehört. Dennoch hat er das für sich reflektiert und einen Weg gefunden:  

Man muss sich die Frage stellen, wofür mache ich diese Sache? Ist es der Traum, den ich hier lebe? Und will ich den Ruhm ziehen und berühmt werden, koste es, was es wolle oder sich erden und zurückbesinnen auf das, wo man angefangen hat, damit man einfach nicht vergisst, wo man herkommt.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35641
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