Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Wenn ich an Menschen in der Bibel denke, bleibe ich immer wieder an der tragischen Gestalt des Judas Iskariot hängen. Dem Jünger, der Jesus ausgeliefert und damit ans Kreuz gebracht hat. Wer war dieser Mann eigentlich? Im Grunde wissen wir herzlich wenig von ihm und das, wo er doch eine Schlüsselrolle im Leben Jesu gespielt hat oder gar spielen musste?
Er war einer der zwölf Apostel und gehörte somit zum innersten Kreis. Judas war damals ein gängiger Vorname. Damit man ihn von anderen Männern, die auch Judas hießen unterscheiden konnte bekam er den Beinamen Iskariot. Was bedeutet, dass er vermutlich aus dem Ort Kerijot in Judäa kam.
Was hat diesen Mann nur dazu gebracht , seinen gerliebten Meister den Henkern auszuliefern? Geldgier, die ihm vorgeworfen wurde wohl kaum: Denn mit dreißig Silberlingen wurde man nicht wirklich reich. Diese Summe entsprach ungefähr dem Monatslohn eines einfachen Handwerkers.
War es Enttäuschung über Jesus, dass er nicht entschieden genug gegen die römische Besatzungsmacht vorging? Wollte er Jesus zum Handeln zwingen?– vielleicht.
Tatsache ist: wir wissen nicht, was ihn bewogen hat, wohl aber dass er seine Tat schwer bereut hat.
Der Evangelist Matthäus schreibt, dass Judas unter der Last seiner Schuld zerbrochen ist und seinem Leben ein Ende gesetzt hat.
Dieser tragische Tod wurde in vielen Bildern festgehalten: Judas, der sich erhängt. Ein Mann, der einsam am Strick baumelt. Gnadenlos verurteilt von sich selbst und von anderen.
Aber neben diesem allseits bekannten und schrecklichen Bild gibt es ein eher unbekanntes, das ein ganz anderes Bild vom Ende des Judas zeigt:
In der Kirche Sainte Madeleine, in Vezeley im Burgund, hat ein Steinmetz neben dem Erhängten ein weiteres Bild in Stein gehauen: Jesus, der den toten Judas auf seinen Schultern trägt. Der Gute Hirte, der sein verirrtes Schaf nach Hause bringt. Diese Darstellung berührt mich sehr. Weis sie so ungemein tröstlich für mich ist. Der Gescheiterte wird buchstäblich nicht hängen gelassen. Auch er, der keinen anderen Ausweg weiß, wird getragen von der unermesslichen Güte und Barmherzigkeit Gottes. Nach Hause gebracht, in einen unzerstörbaren Frieden mit sich selbst und seinem Gott.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=3561
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