SWR2 Zum Feiertag

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18APR2022
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Thomas Steiger im Gespräch mit Levi Kuon.

Steiger:
Über das christliche Osterfest und seine Bedeutung für jüngere Menschen, spreche ich heute mit Levi Kuon. Er ist 23 Jahre alt und Medizinstudent in Heidelberg. Mein Name ist Thomas Steiger und ich bin der Hörfunkpfarrer der „Katholischen Kirche am SWR“. Levi du warst 4 Jahre lang bei mir im Religionsunterricht. Wie ist es mit dem Glauben an Gott in deiner Generation, also bei den Menschen die heute so ein bisschen älter sind als 20 Jahre?

Kuon:
Das ist ein schwieriges Thema, also besonders unter Kommilitonen in meinem Studiengang wird darüber, glaube ich, eher weniger gesprochen. Ich kenne einige überzeugte Atheisten in meinem erweiterten Freundeskreis mit denen solche Gespräche gar nicht möglich sind. Weil man auf starke ideologische Überzeugungen trifft und man scheinbar von vornherein unterlegen ist, weil die Gegenseite sich nicht auf die eigenen Argumente einlässt. Darüber hinaus glaube ich trotzdem, dass medizinisches Denken logische Schlüsse aufgrund von Intelligenzen beinhaltet, eine Kommunikation über das, was darüber hinausgeht, erschwert. Gott ist ja was, was nicht durch stringente Beweise schlüssig ist. Und deswegen fällt es uns schwer darüber zu sprechen. Es ist ein sehr intimes Thema und jeder nähert sich da auf eine andere Art.

Steiger:
Ok, es muss nicht zwingend ein Widerspruch sein, Medizin studieren und an Gott zu glauben?

Kuon:
Ich hatte mal ein Gespräch mit einem Kommilitonen und wir haben uns dann über Entstehen von Krebs im Allgemeinen und im Speziellen, warum zelluläres Leben einfach nicht ewig sein kann, unterhalten. Da haben wir uns gefragt, wie offensichtlich dennoch Zellteilung, seit der Entstehung des Lebens von Milliarden von Jahren, fortbestehen konnte. Unser empirisches Wissen belegt, zelluläres Leben ist kurz; doch bis heute hat immer vollständig Zellteilung stattgefunden. Also kollektiv hält sie an, aber jede einzelne Zelle stirbt. Dabei hatten wir die Frage nach einer Urzelle, also nach dem Beginn von Leben und die Entstehung organischer Verbindungen, in unseren Gedankenspiel gar nicht aufgenommen. Und da hab ich letztlich auch nochmal jede Menge Stoff nach Transzendentem. Ich würde also sagen: Nicht jede Frage des Kosmos ist eben mit Wissenschaft zu beantworten, und vor allem wenn man über existenzielle Themen spricht und da an Grenzen stößt. Zudem ist es auch ein Zeitalter der schnellen Information und dem unermesslichen Ausmaß an Nachrichten, Fakten. Es ist unglaublich schwer, dort einen Diskurs über das Thema Gott zu führen. Weil man unbewusst immer dazu angehalten ist, die Fakten zu kennen.

Steiger:
Also das heißt, wir kommen einfach an unsere Grenzen. Wir kommen bei dem Grundsätzlichen was wir denken an Grenzen, aber auch bei der Art und Weise wie wir uns verständigen, kommen wir an Grenzen. Levi gibt es Situationen, eher alltäglicher Art, indem du an Gott denkst oder bestimmte Orte in deinem Leben, wo er auftaucht.

Kuon:
Für mich ist die Präsenz Gottes, glaube ich, nicht an einen spezifischen Ort gebunden. Also ich würde eher sagen, es sind Zustände stärkerer Emotionen, in denen ich Gott begegne, also das können positive wie negative sein, zum Beispiel wenn ich in der Natur bin, einem Meisterwerk lausche, die Alpensinfonie von Richard Strauss wär‘ so ein Werk, das mich schon sehr lang begleitet. Und das sind wirklich Momente wo mich vielleicht Gedanken an was Göttliches beschleichen, Dankbarkeit und Glück. Vor allem vor dem Hintergrund, dass menschliches Leben auch so anders verlaufen kann. Also auch bei Situationen wo Tod präsent ist, denke ich an Gott.

Steiger:
Also die ganz großen existenziellen Situationen und Themen die in unserem Leben selten, aber wenn sie auftauchen, dann doch eine große Wucht, eine große Kraft haben. Jetzt weiß ich ja Levi, weil wir darüber viel gesprochen haben, dass du ein sehr musikalischer Mensch bist und auch sehr gut Geige spielst. Hat denn Musik für dich auch was mit Gott zu tun? Hat sie eine spirituelle Dimension für dich?

Kuon:
Also Musik hat schon immer eine sehr große Bedeutung in meinem Leben. Mit 5 Jahren habe ich meinen ersten Geigenunterricht schon bekommen. Am Anfang war das nicht immer erfüllend, weil die Technik auf diesem Instrument zu lernen sehr anspruchsvoll ist. Als ich dann zum ersten Mal im Sinfo-Tübingen, 2013 war das, glaube ich. Da haben wir die Sinfonie von der - Neuen Welt – gespielt von Anton Dvorak. Da hatte ich so das Gefühl, ja, das Üben war es wirklich wert. Das ist für mich was ganz wunderbares, wenn Menschen sich in ihrer Freizeit treffen um gemeinsam Musik zu machen und dabei Freude empfinden. Und darüber hinaus es auch noch teilen können, in einem Konzert zum Beispiel mit einem Publikum. Und Musik verfolgt für mich auch ein höheres Ziel und dieses Größere das lässt sich ganz schwer in Worte fassen, dass erfahren die Menschen, wenn sie ins Konzert gehe. Und Noten auf Papier sind nur etwas Materielles, aber durch die Musiker erst werden sie greifbar und erlebbar.

Steiger:
Du studierst jetzt seit 4 Jahren in Heidelberg Medizin und der Kontakt zu den Menschen, der Kontakt zu den Kranken, wie wichtig ist dir der?

Kuon:
Mein Ziel ist es immer, den Patienten möglichst auf Augenhöhe zu begegnen und dazu gehören zum einen, natürlich Skills, die man im Laufe des Studiums lernt, aber auch persönliche Charakterzüge, die man als Mediziner mitbringen muss. Das ist einmal Interesse an dem Problem natürlich, aber auch das genaue Hinsehen und Zuhören und auch die Empathie die man im Gespräch bereit ist zu geben. Ich denke, auch nur so kann sich der Mensch einem öffnen und anvertrauen. Mit dem Patienten auch im Gespräch zu bleiben ist für mich auch sehr wichtig. Was bringt es einem denn am Ende, wenn der Patient über die Therapie nicht Bescheid weiß und dann die Therapie abbricht.

Steiger:
Wie gehst du denn damit um, wenn ein Mensch stirbt? Was sagst du den Angehörigen und wie trittst du mit dem in Kontakt der im Sterben liegt?

Kuon:
Ich glaube, dass jeder Mediziner sich in solchen Situationen schwer tut. Ganz elementar wichtig für mich ist es auf jeden Fall, die Achtung vor dem Leben zu wahren. Also ob ein würdevolles Sterben möglich ist, zum Beispiel sollte der Patient keine Schmerzen haben, er sollte keine Luftnot verspüren und sollte keine Panik haben. Im Idealfall sollte es möglich sein, dass Angehörige beim Patienten sein können. Die Bilder von der Coronakrise, die wir ja wirklich alle noch präsent haben, von sterbenden Patienten auf den Intensivstationen, wo kein Angehöriger dabei sein konnte, die haben mich sehr, sehr bewegt. Das Sterben an einer Infektionskrankheit, für die es eine Impfung gibt, eine wirksame Impfung gibt, die aber nicht wahrgenommen wird, das geht mir sehe nah als Mediziner. Natürlich auch belastende Einzelschicksale, zum Beispiel wenn sehr junge Menschen einem Krebsleiden erliegen oder Eltern ihre Kinder sterben sehen.

Steiger:
Jetzt bist du ja beinahe vor ein paar Wochen selber in eine schwierige, existenzielle Situation geraten, als dieser Anschlag in Heidelberg stattgefunden hat, eine Studentin ist dabei getötet worden. Das hat was in dir ausgelöst, kannst du dazu nochmal ein bisschen was sagen, bitte?

Kuon:
Mein Wohnheim ist nur einige Meter von dem Hörsaal entfernt und da kam erstmal eine ganz große Hilflosigkeit auf. Es ist so eine sinnlose Tat, ein junger Mensch der an der Uni studiert, so wie ich, um sich seine Zukunft aufzubauen, mit dieser Tat alles einreißt und alle weiteren Studenten die Pläne für ihre Zukunft mit in den Tod zieht, das ist einfach so sinnlos. Im Anbetracht dieser Tat hat der Tod ja wirklich irgendetwas sehr grausames an sich und es wird mir auch bewusst, wie fragil unser Glück ist.

Steiger:
An Ostern feiert ja die Christenheit, dass der Tod nicht das Ende ist, sondern dass die Liebe stärker ist als der Tod und dass es für einen Menschen, nach seinem irdischen Leben so etwas gibt wie neues Leben, dass der Mensch wiedergeboren wird. Was bedeutet dir denn dieser Inhalt, von dem wir als Christen sagen, dass sei das Wichtigste in unserem Glauben?

Kuon:
Also der Glaube an die Auferstehung Christi ist für mich auch immer eine Erinnerung an das Gute in der Welt und im Menschen. Denn Hass ist eine Spirale und Polarisation und Missachtung die im Kleinen beginnt, die endet im Großen, in großen Kriegen und globalen Katastrophen.

Steiger:
Was erwartest du von der Christenheit in dieser Situation, aktuell in der wir uns befinden?

Kuon:
Es gingen neulich Bilder um die Welt von einer Journalistin im russischen Staatsfernsehen die sich direkt an die Zuschauer wandte mit dem Appell „Kommt zu den Demos, fürchtet euch nicht“. Ja, dieses sich nicht fürchten ist für mich eine Botschaft, mit Mut und Zuversicht in die Zukunft zu gehen und es ist nicht alles trist. Wir müssen uns ja nur umschauen, es gibt so viel Solidarität in der Bevölkerung mit Flüchtlingen und nicht zu verzagen, das erwarte ich von Christen, aber auch eigentlich von allen Glaubensgemeinschaften und allen Menschen auf der Welt die keinem Glauben angehören.

Steiger:
Mit dieser Botschaft, Fürchtet euch nicht, verabschieden wir uns von ihnen, liebe Hörerinnen und Hörern, Levi Kuon, mein Gesprächspartner heute Morgen und ich Thomas Steiger und wir wünschen Ihnen ein frohes Osterfest.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35265
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