Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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25MRZ2022
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Wenn ein Jude beim Beten an Jerusalem denkt, stellt er sich diese Stadt als einen von G-ttes Innewohnen geprägten Ort vor. Als einen Ort, in dem der Geist des Herrn durch Frieden und Verständigung unter den Menschen ruht. Dafür beten wir besonders in unserer Zeit.

Ein evangelischer Theologe kommentierte den fünften Vers des 84. Psalms, der wie folgt lautet: „Selig sind die, die in Deinem Hause wohnen, - die Dich immerdar preisen.“  Er bemerkt, (R. Bohren: Texte zum Aufatmen. Herder Freiburg, 1990) „…, dass es offenbar auch zum G-tt-sein   G-ttes gehört, zu wohnen...Der G-tt Israels ist ein wohnender G-tt.

Im Tempel will er Seinen Namen wohnen lassen…G-tt hat ein Zuhause auf Erden, einen Ort, wo Er mit seinem Herzen daheim ist.“ - meint der Theologe. Man kann ihm Recht geben, jedoch um jegliche anthropomorphe Deutung seiner Aussage zu vermeiden füge ich noch eine chassidische Anekdote hinzu: „Wo wohnt G-tt? - fragte einst ein Rabbi seine Schüler.  Sie waren verdutzt. - Dort,- wo man Ihn hereinläßt, - antwortete der Rabbi selber.  Als einen solchen Ort stellen sich Juden Jerusalem vor.

Während ich an Jerusalem denkend, meine Worte formuliere, taucht eine Erinnerung an ein Gespräch mit dem früheren Israel Korrespondenten der ARD auf. Der politische Journalist sprach auch gerade über Jerusalem.  Er sagte, diese Stadt gestaltet, erlebt, bezieht ihre Gegenwart aus der Vergangenheit. Er schilderte dann: wie viele religiöse Gruppen von Muslimen, Christen und Juden nebeneinander leben und ihre Gebete an verschiedenen Tagen und Orten auf unterschiedliche Weise in vielen Sprachen verrichten. 

An ihrem wöchentlichen Ruhetag eilen die Muslime zur Moschee, die Juden noch vor Einbruch des Schabbattages zum „Kotel“ - zur Westmauer des einstigen salomonischen Tempels, um ein Gebet zu sprechen - und die Glocken rufen aus mehr als 40 Kirchen zur Messe, zum Gebet, zum Umzug zum Golgatha...Das alles kann man auch, - wenn auch nicht theologisch, - als Innewohnen G-ttes in Seiner Stadt bezeichnen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35051
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