SWR1 3vor8

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13FEB2022
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Auf die eigene Stärke zu vertrauen. Genügt das? Die Bibel stellt das vehement in Frage. Und zwar sowohl im Alten wie im Neuen Testament. Es zieht sich wie ein roter Faden durch die Erfahrungen, die dort niedergeschrieben sind. Sie erzählen davon, wie oft Menschen erlebt haben, dass einer gedacht hat, er könne sich sein Glück selbst schmieden. Und dann in ein tiefes Loch fällt. Weil von einem Tag auf den nächsten sein Lebenshaus einzustürzen droht. Krankheiten nehmen keine Rücksicht darauf, ob einer erfolgreich ist. Kinder werden nicht auf Befehl geboren. Und alles, was man sich erwirtschaftet hat, nützt nichts, wenn ein Unglück geschieht, das die ganze Existenz in Frage stellt. Der Prophet Jeremia - heute als Bibeltext in den katholischen Gottesdiensten zu hören - drückt das besonders drastisch aus: Verflucht der Mensch, der auf Menschen vertraut, auf schwaches Fleisch sich stützt und dessen Herz sich abwendet vom Herrn. Er ist wie ein Strauch in der Steppe, der nie Regen kommen sieht[1]. Für Jeremia ist es eine prinzipielle Angelegenheit: Wer ohne Gott die Rechnung seines Lebens macht, wird scheitern.

Leider merke auch ich es oft erst zu spät. Am Ende reichen meine eigenen Sicherheiten nicht aus. Es ist schon gut, dass ich mich kümmere: um meine Gesundheit und die Vorsorge fürs Alter. Ich habe ein Testament, eine Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht. Und in erreichbarer Nähe sind ein paar Menschen, die ich liebe und auf die ich mich verlassen kann. Aber wenn das alles ist, wiege ich mich in falscher Sicherheit. Ich habe schon ein paar Mal erlebt, dass es nicht ausgereicht hat, wie ich mich abgesichert hatte. Da war eine große Leere. Als ob ich allein auf der Welt wäre. Nur ich in der Weite des Universums. Als ich plötzlich eine Krebsdiagnose bekam und eine schwere Operation vor mir hatte. Da war das so. Trotzdem war da aber immer noch etwas. Etwas, das in mir in die Tiefe reichte wie eine Wurzel. Ich war allein und habe mich hilflos gefühlt. Aber der Boden unter mir hat trotzdem getragen. Ich war verankert, ohne genau zu verstehen, worin. Ich habe nicht sofort an Gott gedacht und ein Loblied auf ihn angestimmt. Erst im Laufe der Zeit, als die Leere gewichen ist, habe ich mich erinnert: Gott war auch in dieser schweren Zeit da. Aber es ist eine Sache, das zu wissen, und eine andere, es zu spüren, wenn es nötig ist. Von Gott durchdrungen zu sein. Wie ein Baum, der am Wasser gepflanzt ist und zum Bach seine Wurzeln ausstreckt[2]. Jeremia empfiehlt solches Gottvertrauen. Ein guter Rat ist das. Und ein langer Weg dorthin.

 

[1] Jeremia 17,5-6a

[2] Jeremia 17,8

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34850
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