SWR3 Gedanken

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31DEZ2021
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„Ich weiß nicht, wie ich feiere. Vielleicht geh ich ins Bett.“ Das habe ich oft gehört dieser Tage. Kein Wunder, wer mag schon planen, wen man wann, wie treffen darf oder will. Wenn überhaupt. Silvester: Wie schmeckt das, zwischen Lucaapp, Käsefondue und Omikron. Wie einsam wird sich „Dinner for One“ für manche anfühlen, die allein vorm Fernseher essen. Wie lustig mag die Nacht für alle werden, die auch ohne Knallerei gute Laune versprühen und guter Dinge sind.

„Klar feiern wir, im Kleinen, und irgendwann wieder wie früher“, sagt mein Cousin Matthis, unverbesserlich optimistisch, am Telefon. „Ja, so Gott will und wir leben“, lache ich. Und denke, wie gut, dass es Menschen wie ihn gibt. Oft waren wir Silvester zusammen, mit Familie und Freunden. Bis auf diese Nacht vor sieben Jahren. „Ich weiß nichts, fühle nichts“, sage ich damals, „ich bleib im Bett.“ 31. Dezember 2014. Mein erster Mann, erste und ewige Liebe, war gerade gestorben. Und ich so tot und kalt wie der Schnee draußen.

Das Feuerwerk, draußen überm Wald, sehe ich tränenverschwommen. Doch später, im durchwachten Morgen: eine Sternschnuppe, nur für mich, gleißendgelb. Hell, hoffnungsvoll. „Ich weiß noch nicht, wie ich feiere“, sage ich seither auch oft. Ich habe traurige und -glücklicherweise - wieder frohe Silvester erlebt. „Le Chaim, auf das Leben“, wird mein Cousin um Mitternacht durchs Telefon rufen. Ob Sie still feiern oder laut: Ich wünsche sternenfrohe Momente und setze auf hoffnungsvolle Menschen wie Matthis.

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