Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Das Leben ist Entwicklung, von der Wiege bis zur Bahre. Wie ich darauf komme? Je älter ich wurde, desto klarer wurde mir wie kostbar, ja heilig die Entwicklung eines Menschen ist. Aber auch wie schwierig und oft auch schmerzhaft. Und dass es zum Menschsein gehört, mit den Konflikten umzugehen, die zu unserer Entwicklung gehören. Und dabei einander zu helfen, vom Anfang des Lebens bis zum Ende.
Allein schon in den ersten beiden Lebensjahren entwickelt sich der Mensch so stark, wie in seinem ganzen restlichen Leben nicht. Aber mit welchen Kämpfen und Krämpfen! Wenn ich nur an die vielen Stürze oder die Trotzattacken von Kleinkindern denke. Dann in der Schule, die so wichtig ist für die geistige und soziale Entwicklung, aber eben auch anstrengend mit dem ewigen Lernen und all der nötigen Disziplin. Ganz zu schweigen von der Pubertät, in der die Welt Kopf zu stehen scheint, für die Heranwachsenden, wie oft auch für ihre Eltern. Und zu der Konflikte und Abgrenzungen gehören, wie die Nacht zum Tag. Dann die Ausbildung oder das Studium, wo Weichen gestellt werden für das spätere Leben, wobei es manchmal aber auch schwierig ist, bis der richtige Weg gefunden ist. Anschließend Beruf oder Familie, oft auch beides zusammen, mit allem Stress, den unsere Gesellschaft den jungen Menschen in dieser Lebensphase abverlangt. Und dann nach Jahrzehnten im Berufs- oder Familienleben, die vergangen sind wie im Flug, scheinbar plötzlich der Ruhestand. In den man sich heutzutage auch hinein entwickeln muss, weil er eine neue, lange Lebensphase geworden ist. An deren Ende die Entwicklung hin zum Sterben steht.
Ich hoffe, dass diese letzte Entwicklung leichter geht, wenn man all die vorherigen so gut wie möglich leben konnte. Das heißt: wenn Krisen und Konflikte durchgestanden wurden, Brüche und Ungelebtes, nicht Erreichtes ausgehalten und letztlich akzeptiert werden konnte. Akzeptiert dass es zum Leben gehört, trotz aller Entwicklung Unfertiges zu haben, unfertig zu sein. Darüber hinaus hoffe ich, dass die Welt, in die wir hineinsterben, eine Welt ist, in der wir dann ganz und ganz so sind, wie Gott uns gewollt hat. Davor aber gilt es hier diesem Idealzustand so nah wie möglich zu kommen. Das heißt Entwicklung, kostbare, ja heilige menschliche Entwicklung. Die jede und jeder ganz für sich alleine machen muss, aber auch niemand ganz alleine machen kann. Und für die wir einander so nötig, wie wundervoll brauchen.